Gesellschaft · Schreibgeräte & Kontor

Die Lesezeichen der Juristin

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Schräg knicken – schnell finden.

Wie man ganz ohne eingelegte Papierschnipsel oder Post-it-Zettel schnell zu einem Lesezeichen kommt. Einfach ein Blatt schräg nach innen falten, so dass eine Ecke gut über den Rand hinaus ragt, zuklappen, fertig. Das nächste Lesezeichen macht man dann etwas versetzt. Die Ecke am Buchrand ergibt sich dann ebenfalls etwas versetzt. Ein simples Verfahren, das man jedoch selten sieht.

Bevor ich diesen Beitrag schrieb, habe ich einige Personen gefragt, ob und wo ihnen diese Art des Lesezeichens zuerst begegnet ist. Nirgendwo, war unisono die Antwort, bzw. man würde es nur durch mich kennen. Jemand bemerkte, ein Blatt würde er auch nie so komplett falten. Das Buch würde dadurch ja beschädigt. Genau das dachte ich auch, als ich dieses Lesezeichen zum ersten Mal bei einer Hamburger Juristin sah, der Hausanwältin meiner früheren Geschäftspartnerin. Sie hatte allerlei Akten dabei, in denen sie sich wichtige Stellen so markiert hatte. Genial fand ich das damals, weil es ganz ohne eingelegtes Lesezeichen oder Post-it funktioniert. Seitdem markiere ich mir wichtige Stellen so. Dort, wo eine Beschädigung nicht so wichtig ist, z.B. im Tageskalender, in Notizbüchern oder in Aktenordnern.

Irgendwie passt es, dass ich diese Art des Lesezeichens zuerst bei einer Juristin sah. Juristerei ist schließlich ein Arbeitsbereich, wo eben nur Content zählt. Völlig egal, ob da ein Aktenblatt einen Knick mittendurch hat. Keinerlei Rechtsbeziehung beeinflusst sich dadurch. Einem guten Buch würde ich diesen Knick mittendurch freilich niemals antun. Für Magazine, Kataloge, Handbücher und Verzeichnisse aller Art, die im nächsten Jahr im Austausch gegen ein neues Exemplar im Altpapier verschwunden sind, möchte ich diese Lesezeichen jedoch nicht missen.

Knicken Sie schräg, finden Sie schnell.

 

Ich möchte von Ihnen gerne wissen, wo Sie diese Art Lesezeichen zuerst gesehen haben? Schreiben Sie mir bitte kurz auf.

 

Gesellschaft · Schreibgeräte & Kontor

Bücher entmangeln

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Remittenden gesellschaftsfähig machen

Bei der täglichen Blogschau stolperte ich über den Artikel zur →Gentrifizierung von Hardcover-Remittenden mit einem Lesebändchen. Eines der dort abgebildeten Bücher hat den Stempel Mängelexemplar – diesen Stempel, der aus tadellosen Büchern Bücher mit einem Mangel macht. Nur damit kann in Deutschland die Buchpreisbindung umgangen werden. Beschädigte Bücher dürfen nämlich nach den Regeln zur Buchpreisbindung zum Sonderpreis verkauft werden. Also werden neue Bücher, die aus welchen Gründen auch immer nicht verkauft wurden, zu Büchern mit einem Mangel, in dem man ihnen einfach diesen hässlichen Stempel mit dem Wort Mängelexemplar aufdrückt oder einmal mit einem dicken Filzstift über den Rand zieht. Damit outet sich das Buch dann als Kauf aus der Remittenden-Kiste und ist nicht mehr wirklich gesellschaftsfähig. Klar, gut für zu Hause zu Lesen, aber möchten Sie ein Buch verschenken mit Mängelexemplar-Stempel? Wohl kaum.

Beim Anblick des Fotos im erwähnten Blogbeitrag dachte ich spontan: Mmh, da war doch was. Richtig, mein Angebot damals, Taschenbücher (Softcover, Paperbacks) von diesem hässlichen Stempel zu befreien. Dafür hatte ich extra dieses animierte GIF-Bild erstellt.

Zu den Hintergründen kurz folgendes: Ich habe hier früher mit einer →Xerox DC12 so allerlei Kleinst- und Kleinauflagen gedruckt. Praktisch ein Nebenbeigeschäft zu Grafik, Layout und Mediengestaltung. Das funtionierte ganz gut, denn Einzelstücke waren oft Türöffner für größere Aufträge. Es wurde halt anders wahrgenommen, wenn man mit einem fertigen Prototyp einer Broschüre zum Kunden kam als mit zusammengeschusterten Farblaserausdrucken, die damals farblich noch recht gruselig waren. Damit es diese Klein- und Kleinstauflagen geben konnte, war natürlich eine kleine Buchbindereiausstattung erforderlich. So kam ich zu einem Stapelschneider (ein älteres Modell wie →dieses, in vielen Copy-Shops anzutreffen), einem Rillgerät, einer eisernen Buchpresse (Stockpresse) und einer Holzpresse gleich dazu. Nicht zu vergessen noch ein Eckenrunder, manchmal auch Eckenrundstoßer genannt. Und natürlich kleinere Gerätschaften, vom stabilen Heftgerät bis zum Falzbein.

Ich war damals ziemlich paper addicted und produzierte nicht nur meine Kleinauflagen, sondern auch außergewöhnliche, meist minimalistisch simple Notizbücher, aber durchaus professionell und der Gegenentwurf zum Scrapbooking. Da der Stapelschneider nun mal da war, habe ich damals ich so manchem Buch aus der Remittendenkiste oder aus dem Antiquariat wieder zu ansehnlichen Rändern verholfen. Einfach in den Stapelschneider legen und an allen drei Seiten einen halben Millimeter abschneiden.

Auf meiner uralten Website hatte ich dann unter buchbinderische Leistungen unter anderem die kleine Hilfeleistung vorgestellt, wie so ein etwas angegrabbeltes Buch oder ein Buch, das erst durch diesen Stempel zum Mängelexemplar gemacht wurde, wieder schön wird und dafür diese kleine Animation im GIF-Format erstellt. Für Freunde, Nachbarn und Bekannte wurde dann das ein oder andere Buch beschnitten, aber das war’s dann aber auch mit dem Bescheiden von Büchern. Mangels anderer, lukrativerer Aktivitäten habe ich nie richtig Werbung dafür gemacht oder gar Kontakte zu Antiquariaten geknüpft um ganze Büchersammlungen zu entmangeln und wieder fein zu machen. Freunde und Bekannte können ihre Mängelexemplare natürlich nach wie vor unter meine Fittiche – also unter meinen Stapelschneider – geben um sie von hässlichen Stempeln zu befreien damit sie wieder gesellschaftsfähig d.h. auch verschenkfähig zu machen. Unter den Remittenden und Mängelexemplaren gibt es ja zuweilen vergriffene Kleinode, die man ergattert hat und gerne verschenken möchte.

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Ein alter Reiseführer. Entmangelt und wieder fein. Daneben der Stapelschneider.

DIY – Entmangeln Sie selbst

Dieses Entmangeln können Sie selbst relativ einfach durchführen. Im Copyshop Ihres Vertrauens gibt es mit Sicherheit einen Stapelscheider. Wenn Sie nett fragen, dürfen Sie dort bestimmt auch dreimal an ihrem Buch einen Millimeter abschneiden. Dazu gebe ich unten ein paar Hinweise, damit dieses auch gut gelingt. Ok, vielleicht möchte der Copyshop-Man dafür zwei Euro sehen – aber so what, wenn Sie das Buch für einen Euro gekauft haben, sind Sie mit drei Euro immer noch gut dabei.

Stapelschneider in Selbstbedienungs-Copyshops sind jedoch ein kleines Vabanquespiel. Da schneidet oft jeder alles und jedes, was sich dann in stumpfen Messern und unsauberen Schnittkanten niederschlägt. Oder ein für diese Tätigkeit sichtlich unbegabter Mensch hat vor Ihnen gleich Metallklammern geschnitten, weswegen das Messer jetzt eine so große Macke hat, dass es nie wieder einen sauberen Schnitt macht, bevor es neu geschliffen wird. Treffen Sie auf so einen Stapelschneider und müssen eine Seite Ihres Buches ein zweites Mal beschneiden – nun, das geht, Ihr Buch wird nur immer kürzer, der Text rückt näher an den Rand, etc. Prüfen Sie den Stapelschneider in so einem Selbstbedienungs-Copyshop immer vorher, z.B. indem Sie eine altes mitgebrachtes Buch oder einen Katalog probeschneiden.

Auf der sicheren Seite, was Qualität anbetrifft, sind Sie natürlich, wenn Sie eine Buchbinderei aufsuchen. Gehen Sie zu einer handwerklichen Buchbinderei, die auch Einzelstücke herstellt und Bücher neu bindet. Mit Sicherheit kann man Ihr Taschenbuch dort gut an allen drei Seiten beschneiden. Und mit etwas Glück freut sich der Buchbinder, dass jemand auf ein gepflegtes Buch Wert legt, auch wenn es nur ein Taschenbuch ist, und macht die drei Schritte gratis, dem Buchenthusiasten zuliebe. Mit etwas Pech weist man Sie jedoch zurück, weil man keine Lust und Motivation hat zu solchen Mini-Aufträgen und Hilfeleistungen. Dann bleibt noch die nächste Buchbinderei oder der gute Copyshop…

Eine kleine Anleitung für’s DIY im Copyshop

( 1 ) Mit einem funktionierenden Stapelschneider kann man durchaus (nur) einen halben Millimeter vom Buchblock abschneiden. Weniger ist meist problematisch, und das Ergebnis ist kein sauberer Schnitt. Bei stärker vergammelten Buchrändern empfiehlt es sich, gleich 1 mm von jeder Seite zu schneiden, da sich sonst oft keine sauberen Buchecken ergeben (es reichen 0,5 mm oft nicht, damit die Ecken wieder schön und scharf rechtwinklig werden).

( 2 ) Das Messer des Stapelschneiders bewegt sich leicht schräg nach unten, so ähnlich wie ein Brotmesser beim Brotschneiden. Damit der Buchrücken des Taschenbuchs nicht ausreist, muss das Buch so unter dem Messer platziert werden, dass die offene Seite in Bewegungsrichtung des Messers liegt (vgl. Skizze). Bei manchen – schlecht – industriell hergestellten Büchern sieht man diese kleinen Macken an einer Seite des Rückens. Man kann diesen Effekt vermeiden, in dem das Buch richtig herum unters Messer kommt.

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( 3 ) Stapelschneider, die Sie in Selbstbedienung benutzen, sollten vorher unbedingt einmal getestet werden (z.B. mit einem altem Taschenbuch, Katalog, o.ä.). Man erkennt schnell, ob die Schnittqualität ok ist.

( 4 ) Bitte niemals den Stapelschneider mit der Papierschere bzw. Pappschere verwechseln. Diese findet man oft auch im Copyshop, ist aber zum Schneiden von Büchern absolut ungeeignet. Brot schneiden Sie ja auch nicht mit einer großen Schere.

Hardcover, also Bücher mit festem Einband, können natürlich auch entmangelt werden. Mit etwas Geschick trennt man den Buchblock vorsichtig zwischen den Buchdeckeln heraus. →Kapitalband, sofern vorhanden, an der Seite, an der Mängelexemplar- Stempel ist, vorsichtig ablösen. Nur diese Seite wird dann um 0,5 bis 1 mm beschnitten. Denn wenn das Buch oben und unten beschnitten wird, ist der Buchblock für die vorhandenen Buchdeckel sichtlich etwas zu klein. Kapitalband wieder anleimen. Buchblock wieder zwischen die Buchdeckel einhängen (einkleben). Fertig. Ok, das ist vielleicht nichts für Leute mit zwei linken Händen und so ganz ohne Bastel-Erfahrung.

Der Stapelschneider steht natürlich immer noch da…

Auch wenn hier nichts mehr gedruckt wird und der Focus auf digitale Medien gerichtet ist. Buchbindereiausstattung nutzt sich nicht ab (mal vom Messernachschleifen abgesehen) und deswegen behält man diese Dinge. Vor allem, wenn man doch etwas paper addicted ist. Für die Berliner Freunde und Bekannte, Bloggeria, etc. werden Einzelstücke immer gern bei einem Kaffee gegen einen netten Smalltalk entmangelt – und wieder gibt’s ein Buch mehr, dass dem Medium eine Ehre macht und wieder gesellschaftsfähig ist.

Schreibgeräte & Kontor

Mini Booklet

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Pocket Mod

Ein Mini-Booklet mit acht Seiten aus einer DIN-A4-Seite. Die Idee, ein Blatt etwas ungewöhnlich zu falten und daraus ganz ohne zu Heften ein kleines Booklet zu erstellen, ist schon ziemlich alt. Das besondere ist, dass weder Heftklammern noch Kleber erforderlich sind und trotzdem ein stabiles Booklet entsteht. Im amerikanischen Sprachraum sind diese Mini-Booklets unter dem Namen Pocket Mod bekannt. Man kann das Blatt natürlich vor dem Falten bedrucken, so dass man ein Mini-Notizbuch mit Linien oder einem Kalender erhält. Es gibt sogar ein Softwareskript, mit dem aus einem achtseitigen PDF schnell ein Mini-Booklet erstellt werden kann. Gleich zwei Websites befassen sich ausführlich mit diesen Mini-Booklets: →pocketmod.com und →repocketmod.com.

Besonders geeignet ist ein Pocket Mod für den schnell gezeichneten Comic, die schnell erstellte Bildergeschichte, ein paar mit schöner Handschrift geschriebene Gedichte oder auch, wenn man einen Brief in Form eines Heftes schreiben möchte.

Mit einem langen Papierstreifen als Ausgangsmaterial und etwas Geschick lässt sich ein Booklet auch mit 16 Seiten erstellen, natürlich ebenfalls ohne zu Heften.

HIER lesen Sie meine Anleitung für das Mini-Booklet. An einer Stelle weiche ich von der Anleitung von pocketmod.com ab, weil ich fand, das Booklet liegt so besser plan auf dem Tisch, wenn man es mit Falzbein oder Brieföffner in Form gebracht hat. Probieren Sie selbst. Ein achtseitiges Booklet im Format A6 bekommt man aus einem A4-Blatt, ein Booklet im Format A6 (Postkartenformat) aus einem Blatt im A3-Format.

Schreibgeräte & Kontor

Pilot Capless

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Der Klassiker ohne Kappe

Gerade habe ich den neuen Manufaktum-Katalog in der Hand. Sie wissen schon, mit den schönen Dingen, die es noch gibt – ob man sie nun braucht und mag oder nicht. In iPad- und Tablet-Zeiten ein längst überflüssiges Druckerzeugnis, dieser Katalog, schwer zudem. Von den Produkten springt mich manches an, anderes ist einfach nur gehyped und teuer. Das Titelbild triggert jedoch den Schreibgerätesammler in mir. Unschwer zu erkennen ist dort ein Pilot Capless Füllfederhalter abgebildet, ich hier schon schon länger vorstellen wollte. Also ab zum Regal, eine Box mit Schreibgeräten rausgezogen und ein Paar Fotos von meinem dunkelgrünen Capless gemacht.

Nun, die Idee ist interessant, einen Füllfederhalter zu bauen, bei dem sich die Feder herausschiebt, wenn man hinten drauf drückt, genauso wie sich beim Kugelschreiber die Miene herausschiebt. Diese Idee hatte der japanische Schreibgeräte-Hersteller Pilot schon vor fast 50 Jahren, im Jahr 1964. Seit dieser Zeit gibt es den Pilot Capless in wechselnden Varianten. In den USA wird er seit dieser Zeit unter dem Namen »Vanishing Point« verkauft. Der erste Capless hatte eine Drehmechanik, ähnlich wie ein Drehkugelschreiber, ein gutes Jahr später folgte eine Version mit der vom Kugelschreiber bekannten Druckmechanik.

Eigentlich ist es nicht aufregend, ein aus der Feder und dem darunter liegenden Tintenleiter bestehendes Federaggregat mit einer Druckmechanik vor- und zurückzuschieben. Die Druckmechanik ist relativ simpel und wird heute selbst im Werbekugelschreiber für ein paar Cent verbaut. Wäre da nicht die Herausforderung, dass – anders als beim Kugelschreiber – die Feder luftdicht umschlossen sein muss, damit die Tinte nicht eintrocknet. Und es gibt noch eine zweite Herausforderung. Diese Abdichtung muss sicher funktionieren, die Tinte darf hier nicht nach außen treten, z.B. bei fast leerem Tintentank, wenn der Tintenfluss ausnahmsweise mal reichlich ist und durch Schütteln und Rütteln Tropfen aus der Feder kommen. Daher haben alle Füllfederhalter den Clip an der Kappe und nicht am anderen Ende. Wenn, dann soll die Tinte nämlich aus Feder und Tintenleiter zurück in das Tintenreservoir fließen, nicht umgekehrt. Die Feder kann also niemals so eingebaut werden, dass sie nach unten weist, wenn der Füller mit dem Clip in die Manteltasche eingesteckt wird – anders als beim Kugelschreiber mit seiner recht pastosen Farbe, die nicht »ausläuft«.

Beide Herausforderungen haben die Entwickler des Pilot Capless, mit einem kleinen »Füller-Ufo« beantwortet. Der Clip ist im Griffstück integriert. Sehr ungewöhnlich, dieser Stift, ein Eyecatcher, und der Druckmechanismus funktioniert auch einwandfrei. Konstruktionsbedingt kann natürlich kein voluminöses Federaggregat, wie es z.B. bei einem klassischen Pelikan-400-Stresemann oder bei einem Montblanc vorhanden ist, vor- und zurückgeschoben werden. Feder und Tintenleiter sind also schmal gebaut, was widerum bedingt, dass die Feder nicht besonders elastisch sein darf, schmal wie sie ist. Weiche Goldfedern bleiben hier konstruktionsbedingt außen vor.

Natürlich ist dieser Füllfederhalter mit der per Knopfdruck ausfahrbaren Feder nicht nur ein absoluter Hingucker, sondern auch ein Klassiker, da es ihn ja schon fast seit 50 Jahren gibt, wenn auch mit deutlichen Designänderungen, vergleicht man die Version aus der Werbung der Sechziger mit meinem dunkelgrünen Capless oder gar der Version aus dem Manufaktum-Katalog.

Mein Capless ist schon etwas älter und war einer der preiswerteren Varianten, die heute nicht mehr hergestellt werden. Preiswerter ist relativ, denn ich habe noch zu D-Mark-Zeiten 100 Mark für den Stift bezahlt und ihn seinerzeit mit einem großzügigen Rabatt erworben. Er war das das letzte Stück einer Schreibwarenhändlerin, die diese Marke nicht weiterführen wollte. Heute werden nur noch die wesentlich teureren Varianten verkauft, die ich aufgrund des deutlicheren Clipansatzes gar nicht mal so schön finde. Das Innenleben scheint ziemlich unverändert zu sein. Vor einiger Zeit habe ich einen Füller davon getestet. Kein Unterschied zu meinem dunkelgrünen Capless, von dem ich hier ein paar Detailfotos zeige. Für Menschen wie mich, die a) schnell schreiben und b) mit einer weichen Goldfeder gut umgehen können, Strichstärken damit gut modulieren können, ohne die Feder gleich zu verbiegen, ist das Schreibgefühl des Capless – ja, unterirdisch. In etwa wie ein klobiger Kugelschreiber mit mäßigem Tintenfluss, der zum Langsamschreiben zwingt, keine Strichmodulation zulässt und Aussetzer hat, schreibt man etwas schwungvoller und schneller. Dazu kommt das sehr ungewöhnliche Handling mit dem Clip am Griffstück, was bei den beueren Varianten mit dem weniger in das Griffstück integrierten Clip noch extremer ist.

Fazit
Ein Klassiker, der optisch etwas hermacht, sofern man den Stil mag. Ein extravagantes Spielzeug für große Jungs mit leicht ungelenker Handschrift, die eben sonst am besten und liebsten mit Kugelschreiber oder Rollerball schreiben, sich an (Hoch-)Preis und Technik erfreuen und ein wenig die Kultur blauer Tinte entdeckt haben. Nichts jedoch für Liebhaber feiner Goldfedern und für geübte Füllfederhalter-Schreiber. Die werden sich mit dem eigenwilligen Kappenlosen mit seiner hammerharten Feder und den eingeschränkten Schreibmöglichkeiten schnell langweilen. Als Geschenk? Nun ja, für Technik-Begeisterte, Sammler, und Menschen, die ins skizzierte Raster passen, für echte Hand-Schreiber besser nicht.

Mehr Informationen zum Pilot Capless gibt es im →Internet zu Hauf. Zum Beispiel in einem →Bericht von pens-and-freaks.de.

Ach ja, und von Manufaktum gibt es die Beschreibung des kappenlosen Federschreibgerätes auch im →Online-Shop.

Pilot Capless Advertising

Schreibgeräte & Kontor

Tischaufsteller

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Kleine Tischaufsteller braucht man nicht nur als Tischkarten für die Familienfeier oder als Namensschilder im Seminar. Vorlagen dafür gibt es viele und genauso unterschiedlich sehen die oft auf die Schnelle hergestellten Aufsteller auch aus – von gut und standfest bis klapprig bei jedem kleinsten Luftzug. Ich zeige hier einmal, wie man aus einem einfachen DIN-A4-Blatt einen Tischaufsteller falten kann, der ziemlich stabil ist.

Auf diese Art gefaltete Aufsteller verwende ich auch manchmal, wenn ich anderen im Büro etwas aufschreibe und auf den Schreibtisch stelle, als Alternative zum einfachen Notizzettel. Ein A4-Blatt aus dem Drucker gezogen, gefaltet, Gruß oder Anliegen drauf geschrieben, zusammengesteckt und hingestellt. Vielleicht noch ein Mars, Snickers oder Twix ins gefaltete Dreieck legen. Fertig. Das erzeugt mit Sicherheit mehr Aufmerksamkeit, als wenn ich einfach nur ein Blatt beschreibe und einen Schokoriegel drauflege. Bewährt haben sich diese kleinen Tischaufsteller auch, um z.B. Computer-Tastatur-Kürzel oder Programmierbefehle drauf zu schreiben. Und mit etwas Geschick kann man das Blatt auch bedrucken, so dass nach Falten und Zusammenstecken ein schöner bedruckter und etwas professioneller aussehender Aufsteller entsteht.

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Die Anleitung:
1. Ausgangspunkt ist ein ganz normales DIN-A4-Blatt, z.B. schnell aus dem Drucker gezogen.
2. Einmal längs gefaltet, entsteht ein hochformatiger Streifen.
3. Dieser wird halbiert. Es ergeben sich zwei postkartengroße Schenkel, die an der schmalen Seite zusammenhängen.
4. Beide Schenkel werden jeweils halbiert (wie abgebildet).
5. Enden ineinander stecken (wie abgebildet).
6. Jetzt noch einmal auffalten und den Text auf die Flächen schreiben, die sichtbar sind, wenn der Aufsteller steht. Erneut Zusammenstecken. Fertig.

Es reicht vollkommen aus, die Enden wie abgebildet ineinander zu stecken. Das ist stabil genug und der Aufsteller fällt nicht auseinander. Wer trotzdem den Tischaufsteller »für die Ewigkeit haltbar« bauen möchte, kann die ineinander geschobenen Enden mit einem Heftgerät zusammentackern.

Schreibgeräte & Kontor

Pelikan 140 – Ein Arbeitspferd

20130805-164318.jpgEin Sammler alter Schreibgeräte muss man nicht sein, um einmal mit einem grün-gestreiften Pelikan-Füllfederhalter in Berührung gekommen zu sein. Die Älteren besaßen oft selbst einen dieser Füller, wegen der feinen Längsstreifen oft mit »Stresemann« bezeichnet. Wir Jüngeren kannten den Grüngestreiften von unseren Eltern oder Großeltern, und wer mit Heiko und Markant aufgewachsen ist, besitzt vielleicht einen neuen Stresemann, denn seit den 80er Jahren hat Pelikan die grüngestreifte Serie neu aufgelegt und ausgebaut.

Pelikan 400 hieß der klassische Stresemann und war in den 50er Jahren der alten Bundesrepublik ein kleines Statussymbol. 1950 eingeführt, war er nicht unerschwinglich, aber ganz gut teuer für Durchschnittsverdiener. 25 DM kostete das gute Stück im Jahr 1952, bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von damals 3852 DM. Wer weniger ausgeben wollte oder schlichtweg weniger zur Verfügung hatte, für den gab es eine preisgünstigere Variante, den Pelikan 140, ab 1954 auch im grüngestreiften Stresemann-Look für 15 DM, jedoch ebenfalls mit Goldfeder. Charakteristisch die andere Kappenform. Rund, und im Vergleich zum 400er nur aus Kunststoff, das Endstück ebenfalls deutlich runder. Dazu jedoch der gleiche, typische Clip mit dem stilisierten Schnabel eines Pelikans. Wer es gut machen konnte, viel zu schreiben hatte, oder auf Schreibgeräte Wert legte, kaufte den passenden Druckbleistift 350 oder den Kugelschreiber 355 dazu, ebenfalls in grüner Stresemann-Optik.

Meine 400er-Füller habe ich wie viele andere Schreibgeräte, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, gut in Schubladen gelagert, der abgebildete 140er jedoch liegt mit seinem 355er Kugelschreiber-Pendant auf dem Schreibtisch, meist in guter Griffweite. Ein Arbeitspferd par excellence. Mit weicher, elastischer 585er-Goldfeder gleitet er übers Papier und hat einen Tintenfluss, der manchen 500-Euro-Füller beschämt und nur teuer aussehen lässt. Die schnelle Unterschrift nach 6 Wochen Sommerpause. Kein Problem. Schreibt ein Großteil heutiger Hochpreis-Füller nach dieser Zeit gar nicht richtig an und muss erst mit viel Aufwand wieder durchgespült werden, hat mein 140er Arbeitspferd vom ersten Millimeter satten Tintenfluss, wie man es sich als Schnellschreiber wünscht und wie es für die schnelle Unterschrift unerlässlich ist. Ein regelrechtes Arbeitspferd mit tragender Rolle im Büro – genauso wie einst die westdeutsche Mittelschichts-Zielgruppe in den frühen 50ern, für die dieser Pelikan 140 angeboten wurde. Im Hemd trag ich ihn nicht, wenngleich er auch hier mit seinem Kugelschreiber-Pendant eine sehr gute Figur macht – so mal schlappe 10 Jahre älter als der Hemdträger.

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Design & Typo · Schreibgeräte & Kontor

Handgeschriebene Schriften – Schriftvorlagen als Reprint

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Gut passend zu meinem Beitrag über die Rundschrift möchte ich Ihnen heute den Reprint eines Hefts mit Vorlagen zur Beschriftung von Plänen und technischen Zeichnungen vorstellen; erstmals erschienen im Jahre 1905. Das von einem Franz Endreß verfasste und im Hamburger Hafried-Verlag publizierte Heft enthält mehr als 30 Schriftmuster, die man gut mit der Hand schreiben kann – eine gewisse Affinität und Geschicklichkeit vorausgesetzt. Späte Gründerzeit-Typo-Ästhetik galore.

Seit gestern ergänzt das im Verlag Hermann Schmidt erschienene DIN A6 große Reprint-Heft den Fundus meines Kontors. Ein schönes Sammelstück. Freilich weniger, um konkrete Vorlagen zum Schreiben haben, sondern eher für den Überblick über die Schriften und Art der Beschriftung, die uns in den Plänen und Zeichnungen des beginnenden 20. Jahrhunders begegnen.

Sehr angetan bin ich zudem von Vorwort und Klappentext der Veleger Karin und Bertram Schmidt-Friderichs. Das Wiederentdecken des Hefts muss bei ihnen so ähnlich abgelaufen sein, wie bei mir das Stöbern im Kontor. Déjà-vu.

Anschauen können Sie das Booklet im der Kunst und Design-Buchhandlung Ihres Vertrauens, oder Sie kaufen es ganz einfach, online-antiquarisch oder als →Reprint.

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Schreibgeräte & Kontor

Fountain Pen Day

Hier mein Beitrag zum Fountain Pen Day. Mit einem guten alten Füller mit weicher Goldfeder (ohne den heute obligatorischen Iridium Point) in’s Notizbuch geschrieben.

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Der Tag des Füllfederhalters. Neben den allseits bekannten Feiertagen, die uns zumindest ab und zu mal einen Tag Erholung bringen, – egal, ob wir nun zu ihrem konkreten Anlass einen Bezug haben oder nicht – gibt es inzwischen allerlei Tage, die bestimmten Personen, Gegebenheiten und manchmal sogar Dingen gewidmet sind. So ein Tag ist heute. Der 2. November ist der Tag des Füllers, besser verständlich und korrekt als Füllfederhalter bezeichnet. Der englische Begriff ist Fountain Pen, und die Website zum Fountain Pen Day gibt es hier.

Ich oute mich jetzt mal als gelegentlicher Schreibgeräte-Sammler und teile Ihnen mit, dass es einige Fountain Pens in meinem Fundus gibt. Nicht hunderte, jedoch deutlich mehr als der Durchschnitts-Deutsche besitzt. Gesammelt wird nicht ständig und nicht akribisch, jedoch immer, wenn sich eine Occasion ergibt. Platzsparender und weniger nerdig als alte Fernseher zu sammeln ist es allemal. Dazu finden sich die stilbildenden Epochen des 20. Jahrhundets manchmal ganz gut in der Gestaltung der Schreibgeräte wieder, seien es nun Kugelschreiber, Bleistifte oder Füllfederhalter. Allesamt sind es gestaltete Produkte, deren rein technische Funktion heute meist zweitrangig ist, wird diese doch auch vom Schreibgerät zum Budget-Preis bestens erfüllt.

Die Technik eines Füllfederhalters ist näher betrachtet nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Eine wohl dosierte Tintenmenge muss aus einem Tintenreservoir (Tintenpatrone oder per Kolbenzug befüllter Tintentank) so gleichmäßig aufs Papier gebracht werden, dass der Tintenfluss nicht abreißt, allerdings eben auch nicht zu viel Tinte auf’s Papier gelangt. Dafür muss ebenso wohl dosiert Luft in das Tintenreservoir gelangen – nicht zu viel, dann kleckst der Füller, aber auch nicht zu wenig, dann schreibt er nicht kontinuierlich.

Dieses feine ‚Tinte raus, Luft rein‘ wird vornehmlich durch den sogenannten Tintenleiter, dem verbindenden Element zwischen Tintenreservoir und Feder erledigt. Es handelt sich um das zumeist gerippte Bauteil, auf dem die Feder montiert ist. Nach mehr als 100 jähriger Erfahrung in der Schreibgeräteentwicklung ist man jedoch heute in der Lage, sehr günstig Tintenleiter zu bauen, die kontinuierlichen Tintenfluss garantieren – und zwar ab dem ersten Aufsetzen der Feder aufs Papier, denn sonst ist der erste Buchstabe einer schnellen Unterschrift nicht deutlich genug oder gar nicht vorhanden. Ein solcher Füller schreibt nicht gut an. Dank millionenfach bewährter Tintenleiter-Technik schreiben sie alle irgendwie, die heutigen Füllfederhalter, preislich ein- bis vierstellig. Wie gut man damit zurecht kommt, hängt freilich von persönlicher Vorliebe und Schreib-Erfahrung ab.

Nachdem in vergangenen Jahrzehnten der Kugelschreiber mehr schlecht als recht funktionierende Füllfederhalter nahezu verdrängt hatte, hat Schreiben mit dem Füller bei kultur- und statusaffinen Menschen eine Renaissance erlebt. Immer wieder und öfter gibt es sie: Diejenigen, die sich für Handschrift, Schreiben und Kalligrafie interessieren, wieder Zettel und Briefe mit der Hand schreiben, werden zunehmend mehr – auch wenn die Zettel und Briefe dann mit Smartphone oder iPad fotografiert werden um per Email verschickt zu werden.

Dieser Trend zum Handschriftlichen freut mich sehr. Ich möchte Sie anlässlich des Fountain Pen Day ermutigen, nach ihrem Füller zu sehen und ihn auszuprobieren. Wenn Sie keinen haben? Dann nehmen Sie einach ’nen Kugelschreiber.