Pelikan 140 – Ein Arbeitspferd

20130805-164318.jpgEin Sammler alter Schreibgeräte muss man nicht sein, um einmal mit einem grün-gestreiften Pelikan-Füllfederhalter in Berührung gekommen zu sein. Die Älteren besaßen oft selbst einen dieser Füller, wegen der feinen Längsstreifen oft mit »Stresemann« bezeichnet. Wir Jüngeren kannten den Grüngestreiften von unseren Eltern oder Großeltern, und wer mit Heiko und Markant aufgewachsen ist, besitzt vielleicht einen neuen Stresemann, denn seit den 80er Jahren hat Pelikan die grüngestreifte Serie neu aufgelegt und ausgebaut.

Pelikan 400 hieß der klassische Stresemann und war in den 50er Jahren der alten Bundesrepublik ein kleines Statussymbol. 1950 eingeführt, war er nicht unerschwinglich, aber ganz gut teuer für Durchschnittsverdiener. 25 DM kostete das gute Stück im Jahr 1952, bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von damals 3852 DM. Wer weniger ausgeben wollte oder schlichtweg weniger zur Verfügung hatte, für den gab es eine preisgünstigere Variante, den Pelikan 140, ab 1954 auch im grüngestreiften Stresemann-Look für 15 DM, jedoch ebenfalls mit Goldfeder. Charakteristisch die andere Kappenform. Rund, und im Vergleich zum 400er nur aus Kunststoff, das Endstück ebenfalls deutlich runder. Dazu jedoch der gleiche, typische Clip mit dem stilisierten Schnabel eines Pelikans. Wer es gut machen konnte, viel zu schreiben hatte, oder auf Schreibgeräte Wert legte, kaufte den passenden Druckbleistift 350 oder den Kugelschreiber 355 dazu, ebenfalls in grüner Stresemann-Optik.

Meine 400er-Füller habe ich wie viele andere Schreibgeräte, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, gut in Schubladen gelagert, der abgebildete 140er jedoch liegt mit seinem 355er Kugelschreiber-Pendant auf dem Schreibtisch, meist in guter Griffweite. Ein Arbeitspferd par excellence. Mit weicher, elastischer 585er-Goldfeder gleitet er übers Papier und hat einen Tintenfluss, der manchen 500-Euro-Füller beschämt und nur teuer aussehen lässt. Die schnelle Unterschrift nach 6 Wochen Sommerpause. Kein Problem. Schreibt ein Großteil heutiger Hochpreis-Füller nach dieser Zeit gar nicht richtig an und muss erst mit viel Aufwand wieder durchgespült werden, hat mein 140er Arbeitspferd vom ersten Millimeter satten Tintenfluss, wie man es sich als Schnellschreiber wünscht und wie es für die schnelle Unterschrift unerlässlich ist. Ein regelrechtes Arbeitspferd mit tragender Rolle im Büro – genauso wie einst die westdeutsche Mittelschichts-Zielgruppe in den frühen 50ern, für die dieser Pelikan 140 angeboten wurde. Im Hemd trag ich ihn nicht, wenngleich er auch hier mit seinem Kugelschreiber-Pendant eine sehr gute Figur macht – so mal schlappe 10 Jahre älter als der Hemdträger.

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6 Gedanken zu „Pelikan 140 – Ein Arbeitspferd“

  1. Ich kenne Sie nicht, werter Blogbetreiber; ich habe vorher von Ihnen nichts gelesen, geschweige denn gehört. Oder gesehen.

    Und ich bin nur aus Zufall über einen (Schlosshotel-)Reisebericht Ihrer werten Angetrauten auf Ihr wohlfeines Tagebuch gestoßen.

    Habe mit hochgezogener (linker) Augenbraue feststellen müssen, dass es noch Menschen auf diesem Planeten gibt, die eine in der Hand gehaltene Feder mitsamt Schrift als etwas wunderbares ansehen.

    Meine erste 400er („Stresemann“-)Feder bekam ich Ende der 60er Jahre als Grundschüler zum Abschluss der 4. Klasse von meinem Großvater – natürlich unmöglich für mich zu erkennen, WAS für ein Schatz sich irgendwann offenbaren würde.

    Die Feder verschwand wie so vieles vor und in der Pubertät, hier war schreibmäßig in den 70ern „Geha“ oder „Pelikan“ oder feuchte Küsse gefragt, danach in den 80ern der Hype um „Lamy“ & Co. Es war halt (m)ein Pennälerleben und anschliessendes Studentenleben in Zeiten der Ahnungslosigkeit, mit den üblichen Weißweinschorlen-Trinkern in weiten, lachsfarbenen Hosen, den faden Pastagerichten und den gespenstischen Salaten mit den noch faderen Putenstreifen. (Ich bin im tiefsten Westen aufgewachsen, im Rheinland, der geistigen Tiefebene nahe der niederländischen Grenze… Köln, Düsseldorf – Sie verstehen? Gut.)

    Als ich vor einigen Jahren (mittlerweile als Herausgeber und Publizist) in Zeiten der Interaktiven Gruppenklatsch-Roundtables & PowerPoint-Workgroups so vor mich hindämmerte, fiel mir (ich weiß wirklich nicht was mein frontaler Neocortex da veranstaltete!) eben genau dieses gute Stück wieder ein. Kurzer Rundumschlag, drölfzillionen Anrufen, Mirriarden von Kartondurchsuchungen und nervigen Telefonaten mit Verwandten später fand ich das gute Stück bei einer (Groß-)Tante im kartonlastigen Keller… in einer 20 x 5 Zentimeter, unscheinbaren, leicht abgerundeten, schwarzen Verpackung mit Goldclip zum öffnen… innen dunkelrote Samteinlage, es roch nach 60er, nach Singen und Klatschen.

    Ich hatte ihn. Und ich lernte wieder zu SCHREIBEN. Obwohl es dauerte, Zuerst langsam, kratzend, zuviel Druck aufs Papier. Dann entkrampfte sich meine Hand und die Tinte floss… wie Sie das auch so schön in Ihrem Beitrag beschreiben: Von der Hand aufs Papier. Ohne Druck, schnell, aber nicht aggressiv, ich konnte das glänzen der feuchten Tinte noch auf der Zeile zuvor sehen… bloß nicht mit dem Finger drüber!

    Nun bin ich ein halbes Jahrhundert alt, etwas abgebrüht vielleicht. Benutze iPad und PC. Aber so ein Füller (was für ein anachronistisches Wort!), so ein „analoges“ Stück in Zeiten digitaler Demenz, das sind für mich emotionale Zinsen… statt Frust beim Tagesgeld.

    Daher Danke für´s hervorholen, werter „Graf“. Sie haben mir erneut eine Erinnerung zurückgebracht.

    Just my 2 Cents… Unbekannte Grüße an Sie.
    Helmut

  2. Vielen Dank für Ihren Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe. Ich wuchs mit Pelikano und Geha auf. Im dritten und vierten Schuljahr durfte ich dann öfter mit »Papas Füller« schreiben, einem grünen 400er Stresemann. Er hatte ihn 1950 zum Beginn der Handelsschule bekommen. Diesen Pelikan 400 besitze ich heute noch und er war vor guten 20 Jahren auch mit der Anlass, mich näher für Schreibgeräte und handgeschriebene Schriften zu interessieren. Kalligraphisches Schreiben war damals auch schon ganz gut im Kurs, was ja zu meiner Schulzeit nicht so war.

    Schön, dass Sie Ihren ersten Füller wiederbekommen haben und Freude daran haben, damit zu schreiben. Bei mir haben sich eine ganze Reihe alter Schreibgeräte angesammelt, die ich wenn möglich auch immer wieder im Einsatz habe. So ist mir manchmal danach, mit fragilen Schreibstiften der 20er zu schreiben mit ihren superelastischen Federn, mit den goldbesetzten Schreibgeräten der 50er oder auch mit einem Pilot Capless aus Japan, der keine Kappe besitzt und bei dem die Feder druckkugelschreiberartig ausgefahren wird.

    Konvergenz
    War lange Zeit der Stift im Vergleich mit Maus und Computer-Tastatur das belächelte anachronistische Medium zur Informationserfassung, so erlebt dieser Stift im Moment gerade eine Renaissance. »iPad und Bamboo Stylus« heißt das winning team, zusammen mit drucksensitiven Apps, die Strichbreitenmodulation durch unterschiedliches Aufdrücken ermöglichen, etc. Immer mehr iPad- und Tablet-Benutzer erlebe ich, die ganz selbstverständlich mit dem Stylus arbeiten. Das erscheint erst einmal weit weg vom gelblichen Naturpapier, fließender Tinte und einem guten Füllfederhalter, und trotzdem ist so vieles wie früher. Skizziert, gezeichnet, schnell eine handschriftliche Nachricht geschrieben.

  3. Werter Graf Typo – zuerst einmal meinen Dank für Ihre prompte Reaktion, die mir beweist, dass es noch Menschen abseits einiger Technik-Konventionen gibt. Obwohl in heutiger Zeit… ach, ja ;-)

    Aber KANN auf einem iDevice unsere gewohnte Haptik irgendwann einmal durch augenblickliche Display(re)aktion des Stylus statt Nach(!)-Denken und kritzelkratzel-korrigieren/wegschmeissen/zerknüllen ersetzt werden? Trifft hier Gorillaglas nicht vergeblich auf pure, chlorgebleichte, unschuldige Reinheit?

    Ersetzen wir das feine kritz-kratz des Füllers mit einem Soundfile ala Kamera-Klick? Schreibsurrogate, Schreibsimulation und Schreibmasturbation ala „Sondaschüla Xpress“ im AppStore-Tagesangebot für nur € 0,89?

    Ist es verrückt, wenn ich in einem linierten und paginiertem „Leuchtturm“-Notizbuch (ja, die gibts noch und sogar recht preiswert bei Amazon statt dieser unsäglichen MolesDingens!) im ICE nach Basel Manuskripte VORschreibe und die nach der Reise im Rechenknecht ABschreibe?

    Es ist ;-) Aber es ist auch so eine ungehuere Art der Kontemplation, der Fokussierung von Kopf UND Hand… und der Vermeidung von Fehlern…

    (Post Scriptum: Das Wetter macht meinem Stresemann und der Tintenfüllung zu schaffen. Wobei des werten Füllers Tinte – ja TINTE! – ein weiteres, unerschöpfliches Thema wäre, diese teutonische Plörre kann man ja keinem guten Füller mehr zumuten! Ich weiche derzeit nach Belgien aus. Nicht nur wg. der Pralinen.)

  4. Ach, ich denke, man muss da etwas mit der Zeit gehen, die guten Dinge jedoch konservieren, zumindest so lange wie sie Freude machen und man sie genießen kann. Papier, Bleistift und Füller sind schon etwas besonderes, genauso wie die Kalligrafie. Für mich hat das im Moment jedoch den Stellenwert wie eine Fahrt mit dem Oldtimer oder wie das Segeln im Holzpirat der 50er. Beides macht man ja auch, um sich ab und zu daran zu erfreuen und auch etwas Kontemplation zu finden, selten jedoch täglich und regelmäßig. Im Alltag bin ich mit digitalen Gadgets schneller, kann schneller und besser schreiben, zeichnen, Inhalte strukturieren und online stellen. Das bedeutet ja nicht, dass ich dazu nun Apps benutze, die das Kratzen des Füllers imitieren. Froh bin ich jedoch, dass ich jetzt mit dem iPad, externer Tastatur und Stift arbeiten kann, eine hochauflösendes Display habe, auswärts online sein kann und auch länger arbeiten kann, da der Akku nicht wie beim Notebook nach drei Stunden schlapp macht. Dazu gehört auch, dass ich handschriftliche Notizen und Dokumente oft mit dem iPad abfotografiere und dann alles immer beisammen habe – Leben und Arbeiten 2013 halt.

    Ob diese Schnelligkeit mit ihrem Aktualitätsdruck nun von Vorteil ist, steht sicher auf einem ganz anderen Blatt. Ich denke nicht, bin jedoch nicht in der Situation, mein Schwimmtempo im Strom komplett selbst bestimmen zu können und möchte das auch nicht vom allgemeinen Tempo abkoppeln.

    Daher liegt mein Arbeitspferd Pelikan 140 auch – nur – auf dem Schreibtisch und ich benutze ihn eben nur dort, denn alltags- oder gar reisegeeignet ist ein 60 Jahre alter Füller, der einen guten Tintenfluss hat, nämlich nur begrenzt, so wie alte Autos auch ihre Tücken bei wechselndem Wetter haben. Umso mehr kann ich den Moment dann genießen, damit mal eine schöne Postkarte zu schreiben oder ein Dokument schnell zu unterschreiben.

  5. Dieser Beitrag von Graf Typo, einfach treffend. Ich bin leider nicht in der Lage, solch kaprziös anmutende Formulierungen wie eingige der anderen Herren zu Papier zu bringen, kann aber meinen alten A+R-Piraten von 1962 immer noch selbst reparieren.
    Auch ich möchte ein Loblied auf den 140er, den ich im Nachlass meiner Oma fand,singen. Er hilft mir seit gut 15 Jahren bei der täglichen Arbeit im Büro und privat, nur begleitet von dem guten alten Faber-Castell-Druckbleistift, der mit der dicken Mine, und einem PC.
    Es sind in dieser Zeit schon so einige Fässer an türkiser Tinte verbraucht worden, einfach weil kein anderes Schreibwerkzeug den Schreibkomfort eines guten Füllers bietet. Und so kompliziert, wie es in mach anderen Foren beschrieben wird, ist es nicht, den 140er zu zerlegen und zu reparieren. Auch eine abgebrochene Kolbendichtung kann mann im Heimeinsatz ohne Spezialwerkzeug wieder einsetzen. Bisher hat mich der 140er vor keine unlösbaren Probleme gestellt! Ich hoffe, das bleibt so.

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