Pelikan 100N

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Schreibgeräte und allerlei aus dem Kontor sollen in 2014 in diesem Blog nicht zu kurz kommen. Heute möchte ich einen Pelikan 100N vorstellen, der auf meinem Schreibtisch eines der Highlights ist. Viele Schreibgeräte und Stifte besitze ich hier, mehr als ich jemals verbrauchen und leerschreiben könnte. Ein regelrechter →Sammler bin ich jedoch nicht. Mir kommt es viel mehr darauf an, dass ich die Schreibgeräte ab und zu benutzen kann und dass ich mich an interessanten und schönen Formen, Technik und Historie erfreuen an. Und bei den alten Schreibgeräten, dass manchmal ein bißchen das Lebensgefühl ihrer Zeit überspringt.

Der Pelikan 100N ist das nur wenig geänderte Nachfolgemodell des Pelikan 100 und wurde von 1938 bis 1950 hergestellt – mit Unterbrechung und Stahlfederversionen in den Kriegsjahren. Mit dem Vorgänger Pelikan 100 startete das Unternehmen, das seinerzeit noch Günther Wagner hieß, im Jahr 1929 die Produktion von Füllfederhaltern und brachte gleich das erste Modell mit einer neuen Techologie heraus. Der Kolbenfüllfederhalter war entstanden. Bisher besaßen Füllfederhalter einen kleinen, schlauchartigen Gummisack, in den durch Zusammendrücken Tinte eingesaugt werden konnte, oder man musste den Füllfederhalter mit einer Pipette füllen. Die Idee, mit einem Kolben Tinte einzusaugen, mag es vorher schon gegeben haben, die praktische Realisierung gelang erst mit dem Pelikan 100 – und begründete damit den Siegeszug des Kolbenfüllfederhalters mit Differentialkolben-Mechanik als bis heute führende Füllfederhalter-Technologie. Die Differentialkolben-Mechanik besteht aus einem Zusammenspiel zweier gegenläufiger Gewinde mit unterschiedlicher Steigung. Minimal, nur wenige Millimeter, dreht man am Endstück, währenddessen der Kolben gegenläufig einen viel größeren Weg zurücklegt und die Tinte in den Füllfederhalter einsaugt.

Auf diese ausgeklügelte Technologie schienen die Deutschen gewartet zu haben. Schnell setzte sich das Prinzip des Kolbenfüllfederhalters durch und wurde vor allem in Deutschland schnell von anderen Herstellern übernommen. Der Pelikan 100 blieb jedoch das Original. Der Erfolg dieses Füllfederhalters ist sicher nicht nur durch die neue Mechanik, sondern auch in der modernen, schlichten Form mit dem sehr schön reduziert stilisierten Pelikanschnabel begründet. Das nur am Endstück und in Details veränderte Nachfolgemodell 100N wurde 1938 vorgestellt.

Mit einigen Internetquellen habe ich erkundet, dass es sich bei meinem Pelikan 100N um ein Nachkriegsmodell handelt. Es muss in den Jahren 1949 oder 1950 gefertigt worden sein, denn schon 1950 wurde es durch das bekannte, grün gestreifte Modell 400, den Stresemann ersetzt. Der hier abgebildete 100N ist also so alt wie die Bundesrepublik und steht mir auch im Alter von 65 noch klaglos und unspektakulär zu Diensten, genau wie mein um einige Jahre jüngeres →Arbeitspferd Pelikan 140. Kappe auf, zur Notiz und Unterschrift stets bereit. Tintenglas öffnen, Feder rein, Tinte einsaugen, Tintenglas schließen, weiterschreiben. Diven schreiben woanders.
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Für den Fall, dass auch Sie noch gutes, älteres Schreibgerät von Pelikan, Mont Blanc oder einer anderen renommierten Marke besitzen, sei es nun Flohmarktfund oder Nachlass: Motten Sie es aus, geben Sie es evtl. zur Reparatur und benutzen Sie es. Nicht immer, aber ab und zu für die persönliche Grußkarte und Korrespondenz. Schnell stellt sich mit einem Jahrzehnte alten Stück in der Hand ein anderes Schreibgefühl ein.

Einige Links zum Klobenfüller, zum 100N, zu Pelikan und zu Pelikan-Federn, mit denen man das Alter eines Füllfederhalters bestimmen kann:

Kolbenfüller mit Differenzialkolben-Mechanik

Geschichte der Firma Pelikan (als PDF)
http://www.pelikan.com/pulse/vfs-public/pdf/DE/Corporation/Press/Historie_d_412.pdf

Zum Pelikan 100N

Federn von Pelikan-Füllfederhaltern (u.a. zur Datierung)

Details für alle, die es genau wissen möchten, was in so einem alten Füllfederhalter ist

Pelikan 140 – Ein Arbeitspferd

20130805-164318.jpgEin Sammler alter Schreibgeräte muss man nicht sein, um einmal mit einem grün-gestreiften Pelikan-Füllfederhalter in Berührung gekommen zu sein. Die Älteren besaßen oft selbst einen dieser Füller, wegen der feinen Längsstreifen oft mit »Stresemann« bezeichnet. Wir Jüngeren kannten den Grüngestreiften von unseren Eltern oder Großeltern, und wer mit Heiko und Markant aufgewachsen ist, besitzt vielleicht einen neuen Stresemann, denn seit den 80er Jahren hat Pelikan die grüngestreifte Serie neu aufgelegt und ausgebaut.

Pelikan 400 hieß der klassische Stresemann und war in den 50er Jahren der alten Bundesrepublik ein kleines Statussymbol. 1950 eingeführt, war er nicht unerschwinglich, aber ganz gut teuer für Durchschnittsverdiener. 25 DM kostete das gute Stück im Jahr 1952, bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von damals 3852 DM. Wer weniger ausgeben wollte oder schlichtweg weniger zur Verfügung hatte, für den gab es eine preisgünstigere Variante, den Pelikan 140, ab 1954 auch im grüngestreiften Stresemann-Look für 15 DM, jedoch ebenfalls mit Goldfeder. Charakteristisch die andere Kappenform. Rund, und im Vergleich zum 400er nur aus Kunststoff, das Endstück ebenfalls deutlich runder. Dazu jedoch der gleiche, typische Clip mit dem stilisierten Schnabel eines Pelikans. Wer es gut machen konnte, viel zu schreiben hatte, oder auf Schreibgeräte Wert legte, kaufte den passenden Druckbleistift 350 oder den Kugelschreiber 355 dazu, ebenfalls in grüner Stresemann-Optik.

Meine 400er-Füller habe ich wie viele andere Schreibgeräte, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, gut in Schubladen gelagert, der abgebildete 140er jedoch liegt mit seinem 355er Kugelschreiber-Pendant auf dem Schreibtisch, meist in guter Griffweite. Ein Arbeitspferd par excellence. Mit weicher, elastischer 585er-Goldfeder gleitet er übers Papier und hat einen Tintenfluss, der manchen 500-Euro-Füller beschämt und nur teuer aussehen lässt. Die schnelle Unterschrift nach 6 Wochen Sommerpause. Kein Problem. Schreibt ein Großteil heutiger Hochpreis-Füller nach dieser Zeit gar nicht richtig an und muss erst mit viel Aufwand wieder durchgespült werden, hat mein 140er Arbeitspferd vom ersten Millimeter satten Tintenfluss, wie man es sich als Schnellschreiber wünscht und wie es für die schnelle Unterschrift unerlässlich ist. Ein regelrechtes Arbeitspferd mit tragender Rolle im Büro – genauso wie einst die westdeutsche Mittelschichts-Zielgruppe in den frühen 50ern, für die dieser Pelikan 140 angeboten wurde. Im Hemd trag ich ihn nicht, wenngleich er auch hier mit seinem Kugelschreiber-Pendant eine sehr gute Figur macht – so mal schlappe 10 Jahre älter als der Hemdträger.

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