Die Apple Watch und mein Unbehagen

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Bisher habe ich gerne mit Apple-Produkten gearbeitet. Das iPhone 6 plus ist eine Option, wenn mein Mobilfunk-Vertrag nächstes Jahr ausläuft, die Apple Watch hingegen wird es für mich nicht geben. Zwei gute Gründe gibt es dafür. Erstens mag ich keine Armbanduhren und zweitens kann man mit der Apple Watch so viele Daten und Informationen sammeln, was mir bei genauer Betrachtung unangenehm ist.

Armbanduhren mochte ich noch nie. Freilich habe ich als Schüler eine Armbanduhr getragen, aber schon damals habe ich sie regelmäßig abgelegt, wenn ich aus der Schule kam. Seitdem vor ein paar Tagen die Apple Watch vorgestellt wurde, rückte das Objekt Armbanduhr wieder in meinen Fokus. Ich habe noch einmal darüber nachgedacht, warum diese Art Uhr mir so gar nicht behagt. Eine Armbanduhr ist mir zu intim. Ich mag nicht ständig so einen Fremdkörper am Arm tragen. Früher bin ich auf Taschenuhren ausgewichen, um nicht ganz zeitlos zu sein. Seit Handys gesellschaftsfähig sind und zuverlässig die Uhrzeit anzeigen, brauche ich auch keine Taschenuhr mehr. Sie wäre überflüssiger Ballast. Eine letzte Armbanduhr habe ich 2003 gekauft, für 29 Euro. Budget, jedoch ein Markenmodell. Gekauft einzig für meinen ersten Marathon, damit ich einen Überblick über mein Lauftempo hatte. Benutzt habe ich sie ziemlich oft, allerdings immer nur kurz zu Volkslauf-Veranstaltungen.

Eine Armbanduhr und ich, wir wurden eben keine Freunde. So besaß ich als aktiver Langstreckenläufer neben der Budget-Uhr nie eine Polar-Sportuhr oder einen Garmin Forerunner – und die Apple Watch kommt mir jetzt auch nicht um den Arm. Im Gegensatz zur Sportuhr fühlt sich nicht nur das physische Tragen der Apple Watch für mich nicht gut an, sondern es stellt sich auch mental ein ungutes Gefühl ein. Damit bin ich beim zweiten Grund, der gegen die Apple Watch spricht.

Mit dieser Uhr kann man nämlich sehr viel mehr Informationen sammeln als es mir – und bestimmt auch Ihnen – lieb ist. Vielleicht wundern Sie sich, dass diese Datenschutzbedenken gerade von mir kommen, wo ich doch seit langem allerlei mobile devices und Smartphones nutze und mich in Social-Media-Communities herumtreibe. Ganz einfach: Bis zu einem gewissen Punkt toleriere ich das Datensammeln. Genau so lange, wie ich den Eindruck habe, dass man zwar ein Profil zu dieser und jener Eigenschaft einer Person zusammenkonstruieren kann, aber dass dessen Aussagekraft letztlich gering ist. Durch diese Datensammelei werde ich etwas transparenter, jedoch längst nicht gläsern. Möglicherweise kann ich selbst die gesammelten Daten hier und dort manipulieren und habe mindestens keine Nachteile davon, was sich Datensammler aus den Informationen, die sie von mir haben, zusammenspinnen.

In der Summe sind es schon ziemlich viele Informationen, die von jedem, der aktiv Smartphones nutzt und in den Social-Media-Communities aktiv ist, in Umlauf sind. Mit »im Umlauf« meine ich nicht unbedingt »zirkulierend«, jedoch außerhalb der eigenen Verfügungsgewalt, was Verwendung und Weitergabe dieser Informationen angeht. Würde man alle Informationen geschickt zusammenbringen, ließe sich schnell ein Persönlichkeitsprofil mit allen Vorlieben, Hobbys, Kontakten, Beziehungen, Kaufkraft und Finanzvermögen bis hin zum Gesundheitszustand konstruieren. Freilich, so einfach ist es nicht. Die Daten sind scheibchenweise verstreut an verschiedenen Orten vorhanden und das Zusammenpuzzlen fällt schwer. Nicht einmal die NSA scheint es mit ihrer Sammelwut zu schaffen, diese Datenscheiben zusammenzubringen. Das ist gut so, dass dieses Zusammenpuzzlen nicht zu funktionieren scheint. Ich toleriere dieses System so lange, wie ich den Eindruck habe, man kann nicht wirklich viel mit diesen Informationsscheiben anfangen kann – und wer weiß, vielleicht habe ich die eine oder andere Informationsscheibe selbst manipuliert, indem ich manche Informationen sehr offen freigebe, andere jedoch niemals oder mal bewusst falsche Informationen freigegeben habe.

Bis jetzt ist es mir also egal, ob aus Foursquare-Daten mein Mobilitätsprofil konstruiert wird oder ob die Gigaset-Raumüberwachung, über die ich letztens schrieb, jedes Türklappen und jede Bewegung in der Wohnung auf einen Internetserver überträgt. Alles sind relativ lückenhafte Informationen. Ich bin manchmal in ganz anderen Städten und Stadtteilen unterwegs, als mein Foursquare-Account vermuten lässt, und die Tür klappt hier viel öfter auf und zu, als Gigaset das registriert. Diese Tools aktiviere ich nur temporär und selektiv und deaktiviere sie dann wieder. Natürlich, man muss auf der Hut sein, diese Deaktivierungsmöglichkeiten zu finden. Ärgerlicherweise ist bei den datensammelnden Apps oft eine Deaktivierung erforderlich, während die Aktivierung des Ortens, Trackens, Datenweiterleitens automatisch erfolgt (siehe Swarm-App). Hat man das Prinzip durchschaut, kann man das Datensammeln zumindest so steuern, dass es einem nicht schlimm »auf die Füße fällt« und man durch preisgegebene Informationen wirkliche Nachteile hat. So what, viel Spaß beim Datensammeln.

Nur: Bis hierhin, und nicht weiter!


Die Möglichkeiten der Apple Watch sind das Grundproblem 

Diese Uhr enthält eine ganze Reihe von Sensoren. Man kann damit deutlich mehr Informationen erfassen, als mit einem iPhone oder Smartphone. Zum Beispiel, wie sich jemand bewegt, wie oft, wie sanft oder wie vehement. Mit dieser Art von Informationen kommt man einem Persönlichkeitsprofil schon deutlich näher. Ist jemand ein hyperaktiver Zappelphilipp oder ein phlegmatisch langsamer Mensch? Das lässt sich schnell mit dieser Uhr ermitteln. Die passende App dafür lässt bestimmt nicht lange auf sich warten. Und falls Sie die Uhr auch beim Sex nicht ablegen, wird Ihnen eine App bestimmt schnell den Status Ihrer Liebhaberqualitäten zurückmelden und Ihnen sagen, wie gut Ihr Orgasmus war. Schöne Aussichten.

Weiterhin wird es möglich sein, Fitness- und Gesundheits-Daten mit der Apple-Watch zu erfassen. Nicht lange wird es brauchen, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern die Uhr freigiebig – auch zur privaten Nutzung – zur Verfügung stellen und Corporate Apps ganz nebenbei das Arbeitsverhalten am Arbeitsplatz und im Home Office überwachen und analysieren. Rennt der permanent umher oder arbeitet er konzentriert und länger am Stück? Und sitzt der überhaupt in seinem Home-Office? Ebenso wird es nicht lange brauchen, bis Krankenkassen ihren Mitgliedern die Apple Watch schenken, um mit den erfassten Daten den Beitrag zu berechnen – die Uhr und die passende App melden allzeit Informationen zurück, die als gesundheitsförderlich oder eben gesundheitsschädigend interpretiert werden.

Verglichen mit einem aktuellen Smartphone der Oberklasse können mit der Apple-Watch eine Menge mehr Informationen erfasst werden. Nicht nur mehr Informationen, sondern intimere Informationen. Das ist ein grundsätzliches Problem. Zudem ist die Watch ein Apple-Produkt und damit sehr wahrscheinlich ein Meilenstein für die Etablierung der Produktgattung Smartwatch. Das iPhone war so ein Meilenstein, denn Smartphones gab es lange vorher, mit dem iPhone wurden Sie massentauglich. Beim iPad war es genauso. Tablets gab es lange vorher, das iPad setzte Standards und Tablets kamen in der Masse an. Smartwatches gibt es bereits. Bisher haben sie die Bedeutung von »Nerdkram« und sind in der Masse nicht angekommen. Das könnte sich jetzt ändern – und damit auch der Druck und die Erwartung, eine Smartwatch zu benutzen. Das behagt mir nicht.

»Man muss sie ja nicht einsetzen, diese Apps, die auf die Sensoren zugreifen und sensible Informationen übertragen können, man kann dieses doch alles deaktivieren und trotzdem die Uhr verwenden, zum Musikhören, zum Telefonieren, etc.« werden Sie mir jetzt vielleicht in meinem Unbehagen entgegnen. Natürlich, das kann man. Nur, wehe man macht einen Fehler und akzeptiert das Sammeln und Weiterleiten von Informationen sorglos. Da mit der Uhr viel persönlichere Daten als mit dem Smartphone ermittelt werden können, kann der »Schaden« im Einzelfall weitaus größer sein. Daran, dass einem einmal versehentlich freigegebene Informationen ziemlich widerlich »auf die Füße fallen« können, denken Nerds und Social Media addicted people selten und probieren lieber das technisch Mögliche. Man redet sich den Benefit schön, etabliert Standards und lamentiert erst über die Auswirkungen, wenn Räder nicht mehr zurückzudrehen sind.

Bezeichnen Sie mich als Spielverderber und kaufen Sie sich gerne ein großes iPhone 6 plus, aber seien Sie achtsam mit der Apple Watch und mit allen anderen Smart-Watches.

3 Gedanken zu „Die Apple Watch und mein Unbehagen“

  1. Danke für Ihre Analyse und Einschätzung; sehr informativ.

    Nun, ich besitze ja noch nicht einmal ein Smartphone und ganz bestimmt möchte ich nicht so ein Spielzeug am Arm (ja, doch, Armbanduhren mag ich), aber da scheinen ja gravierendere intime Daten gesammelt zu werden, bzw. Standards gesetzt. Brauch ich nicht. Aus anderen Gründen als Sie, aber es ist lehrreich zu erfahren, dass die Watch auch aus viel gewichtigeren Gründen nicht gut ist.

  2. Danke für die Anmerkung. Ja, was mich stört, sind die »Standards«, die damit gesetzt werden, und dass eben »Fehlbedienungen«, sprich vergessenes Deaktivieren automatischer Datenübertragung weitreichendere Folgen haben haben können, als wenn »das Internet« jetzt »nur« weiß, wo man gerade unterwegs ist oder wieviel Niederschlag man im Garten hat.

    Bei diesem »Standards setzen« schaue ich inzwischen etwas genauer hin. Das fing mit dem Jubel über den unkomplizierten Nachrichtenaustausch via Email an, über den die komplette Digitaleria so happy war und inzwischen bauen Unternehmen und auch viele Privatleute einen Druck auf, man möge eine Email doch innerhalb eines (halben) Tages lesen und beantworten. Harmlose Sache, nur so »fangen Dinge eben an«.

    Und, Sie müssen wissen, ich bin ja der Vom-Ende-zu-Anfang-Denker. Das meine alte Branche so mit sich gebracht …

  3. Ja, ich weiß – und das schätze ich sehr. Vom Ende zum Anfang ist kein schlechtes Prinzip, um zu denken.

    Völliger Quatsch, dieser „das wollen doch alle so“-Druck, dieser Beschleunigungshype. Natürlich liebe ich vielerlei Internethausen-Krams bekanntermaßen sehr, aber das Dingens hat glücklicherweise auch einen „Ausknopf“, wie ich es immer nenne.

    Und wenn ich nicht online bin, dann bin ich nicht online, bei aller Liebe zum Internetdingens. So weit käme es noch, dass mir einer das Tempo beim Arbeiten (bin eher langsam, aber eruptiv), die Effizienz meines Muckibuden-Trainings oder meiner Atemübungen oder gar die Qualität eines Orgasmus‘ ausliest!

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