Design & Typo · Gesellschaft

Ochse, Narrenkappe und Einhorn

Wasserzeichen_alter_Papiermacher_

Ein Teil der @netzotizen.com waren ja früher die »Kontornotizen« mit allerlei Fundstücken aus dem Büro und der grafischen Welt. Diese Sparte soll hier in den @netznotizen nicht zu kurz kommen und ich werde immer mal wieder interessante Fundstücke aus dem Kontor vorstellen. Heute geht es um die Wasserzeichen alter Papiere. In meinem Fundus befindet sich ein Sammelband der Zeitschrift »Druck und Papier«, genauer gesagt der inzwischen 60 Jahre alte, dritte Jahrgang dieser »Fachzeitschrift für die Papier erzeugende, die grafische und die Papier verarbeitende Industrie« aus dem Jahr 1954. Diese Zeitschrift war ein Publikationsorgan in der SBZ bzw. der frühen DDR. Dementsprechend geht es hier um das Einbürsten der kommunistischen Ideologie in die ostdeutsche grafische Industrie. Dazwischen finden sich immer mal ganz interessante Fachartikel – so auch ein Text zu den »Wasserzeichen alter Papiermacher«, verfasst von P. Mai aus Potsdam. Da die Erstveröffentlichung nun 60 Jahre her ist und ich keinen Rechtsnachfolger des Verlages ausfindig machen konnte, wird ein eventuell zu beachtendes Copyright kein Problem sein und ich veröffentliche den Text hier einmal vollständig zu den Abbildungen der Wasserzeichen.

 

Wasserzeichen alter Papiermacher

P. MAI, Potsdam — Erstveröffentlichung 1954

Zeichen sind Ausdrucksmittel, sind Merkmale. Sie sind so alt wie die Menschheit. Eine Jahrtausende umfassende Entwicklung schuf nicht nur Sprache, Schrift und Bild, sondern gab dem Gefundenen immer vielfältigere Methoden in seiner Anwendung, deren Summe ein Zeichen unseres zivilisatorischen und kulturellen Niveaus ist.

Diese Summe ist ein gewisser kollektiver Besitz, zu benutzen nach Vermögen, Bedürfnis oder Notwendigkeit. Daneben war und ist jedoch das Bestreben vorhanden, dem Ergebnis des eigenen Schaffens, also Gegenstand oder Ware, ein besonderes begriffliches Kennzeichen zu geben. Beispiel sind uns dafür aus alter Zeit die auch heute noch bisweilen an alten Bauernhäusern zu findenden Haus- und Hofmarken. Diese Zeichen wurden auch auf Werkzeug und Gerät übertragen und fanden weiter in Wappen und Siegel Verwendung. Ihre Herstellung erfolgte mit Messer und Meißel; ihre einfache lineare Form war schlicht und einprägsam. Der Brauch übertrug sich auf die Handwerke. So schlägt der Goldschmied seinen Stempel ins Metall, der Steinmetz meißelt sein Zeichen in den Baustein, um Anteil und Mitwirkung am Werk zu kennzeichnen.

Auch die Papiermacherei fand ihre Methode, und im 14.Jahrhundert begannen die europäischen Papiermacher die von ihnen gefertigten Papiere mit Wasserzeichen zu versehen. Bekanntlich ist das Papiermachen, die weiße Kunst, durch die Araber im 11./12. Jahrhundert nach Spanien gebracht
worden, von wo es dann weiterverbreitet wurde. Als Erfinder gelten die Chinesen. Doch weder im chinesischen noch im japanischen Papier sind Wasserzeichen, weil die orientalische Papieranfertigung nur das biegsame Schöpfsieb in Gestalt von aus Binsen geflochtenen Matten verwendet, von dem der Papierbogen nach dem Schöpfvorgang abgerollt wird. Das für das Wasserzeichen erforderliche starre Gebilde aus Draht oder dergleichen läßt sich auf dieser Siebform nicht anbringen. Dem abendländischen Papiermacher ist es jedoch möglich, weil er beim Handschöpfen mit einem starren Drahtsieb arbeitet, auf dem das Drahtgebilde zur Hervorbringung des Wasserzeichens aufgenäht ist. Wenn das Sieb aus der Bütte gehoben wird, verdrängt das aufgenähte Zeichen ein Weniges des den Bogen bildenden Stoffs. Wasserhelle Linien im getrockneten Bogen in Form des Zeichens sind das Ergebnis.

Der Ochsenkopf (1) in den verschiedensten Abwandlungen ziert als eines der ältesten Wasserzeichen die Erzeugnisse italienischer, französischer und deutscher Papiermacher. Eine
einwandfreie Erklärung für die Beliebtheit dieses Zeichens ist hisher nicht festgestellt worden. Da jedoch die Papiermacher der Zunft der Maler zugerechnet wurden und der Ochsenkopf als Symbol des Evangelisten Lucas, des Schutzheiligen der Maler und grafischen Künstler, angesehen wurde, ist die Erklärung dafür sicher darin zu finden. Sehr beliebte Kennzeichen der Erzeugnisse der alten Papiermacher waren auch Hand und Handschuh (2). Bis zum Jahre 1600 wurden rund 1000 verschiedene Formen dieses Wasserzeichens der Papiermühlen gezählt. Sie zeigen die einfache, ausgestreckte Hand oder die zum Schwur erhobene. Durch eine angesetzte gekreuzte Stulpe ist der Handschuh verdeutlicht. Über der Hand sind häufig Stern, Blume oder Krone als Ornament sichtbar.

Sonne, Mond und Sterne (3) in einfacher schlicht-schöner oder auch komplizierter Darstellung wurden gleichfalls häufig als Wasserzeichen verwendet. Sie wurden auf die Mitte des Bogens gestellt und verliehen dem Papier so besonderen Reiz. Diese Zeichen galten häufig als besondere Qualitätsmarken, so daß solches Papier sehr begehrt war.

Handwerkszeug und Arbeitsvorgang sind in den alten Signeten der Drucker oft sichtbar. Die alten Papiermacher haben dagegen niemals ihre Mühle, Bütte oder Papierpresse in ihren Wasserzeichen dargestellt. Das blieb der neueren Zeit vorbehalten, wobei man auf den ersten in eine Papiermühle Einblick gewährenden Holzschnitt aus dem 16.Jahrhundert von Jost Amman und auf ein unechtes Bildnis von Ulman Stromer, Deutschlands erstem Papiermühlengründer, von vor fast 600 Jahren als Wasserzeichen zurückgriff.

Das Stampfwerk der Papiermühlen wie bei den Kornmühlen mit Wind zu betreiben, war ehedem eigentlich nur in Holland, dem Land der Windmühlen, Üblich. Die alte deutsche Handpapiermacherei blieb fast durchweg beim Wasserrad als Antrieb für das Stampfwerk. Eine Windpapiermühle – eine Seltenheit – ist als Wasserzeichen in holländischem Büttenpapier aus dem 17. Jahrhundert zu sehen.

Die ältesten Wasserzeichen beziehen sich recht oft auf christliche Symbole, damit die Gefühlswelt des mittelalterlichen Menschen, widerspiegelnd. So ist das Kreuz in seinen einfachen Formen sowie als Kleeblatt-, Lilien- und Kugelkreuzform sehr häufig. Doch neben anderen wurde auch der Fisch (4) als Symbol Christi und der Altarsakramente sehr oft in gefälligen Abwandlungen verwendet.

Der Hang zum Übersinnlichen ist auch in der Darstellung von Fabel- und Wundertieren für die Papier- und Drucksignete sehr oft zu finden. So ist das Einhorn (5) keine Seltenheit. Obwohl es in der Natur fehlt, fehlt es nie in den Legenden, Naturgeschichten und Reisebeschreibungen des Mittelalters.

Auch der sagenhafte Greif erscheint recht häufig als Wasserzeichen im Papier. Dieses bereits im Altertum vielfach dargestellte geflügelte Fabeltier mit Löwenleib und Adlerkopf war damals das Symbol des Göttlichen, im Mittelalter aber das Symbol des Teufels. Auch im Buchdruckerwappen fehlt es nicht, wo es die friedliche Beschäftigung des Aneinanderreibens der zum Einfärben verwendeten Lederballen besorgt.

Besonders in Italien verwendeten die Papiermacher Kennmarken der Drucker als Wasserzeichen. Zumeist waren das geometrische Gebilde (6), wie Kreise mit waagerechten und schräg gekreuzten Linien und dergleichen. Als Druckersignete wurden sie am Schluß der Bücher eingedruckt. Der Kreis stellte nach mittelalterlicher Auffassung die Erdkugel dar. Das in den verschiedensten Abwandlungen darübergestellte Kreuz versinnbildlichte die beherrschende Macht der Kirche über die Erde.

Als das älteste Buchdruckersignet kann das gemeinschaftliche, besonders schöne Zeichen von Fust und Schöffer angesehen werden, das erstmals in ihrem Bibeldruck, der sogenannten 48zeiligen Bibel (1462) erscheint. Es stellt zwei an einem Ast hängende Schilde dar. Das linke ist das Hauszeichen Fusts, das rechte das Hauszeichen Schöffers.

Die Weintraube als Symbol der Fülle und des Reichtums erscheint gleichfalls oft als Wasserzeichen. Auch im Papier der Gutenbergbibel ist sie vorhanden. Da in der Gutenbergbibel noch andere Wasserzeichen vorkommen, ist damit erwiesen, daß die großen Papiermengen zum Druck der Gutenbergbibel von mehreren Papiermühlen hergestellt wurden.

Auf recht amüsante, sicher glossierende Art kamen der Eselskopf und die Narrenkappe (7) als Wasserzeichen ins Papier. Johann Spielmann, ein Deutscher, der die Papiermacherei in England im 16. Jahrhundert zu hohem Ansehen brachte, führte ein wappenartiges Wasserzeichen, was dem Heroldsamt nicht gefiel. Spielmann, darüber verärgert, versah nun sein Papier mit einem neuen Wasserzeichen, einem Eselskopf mit langen Ohren. Daraus soll dann das englische Narrenkappen-Wasserzeichen entwickelt worden sein.

Daß sich das Wasserzeichen auch auf Zeitereignisse bezog, zeigt der Luftballon als Wasserzeichen in dem Papier des Papiermachers Christian Rauch in Reißen (Pfalz) um 1790, der sicher damit seinen Berufsgenossen Montgolfier, der 1782 den Luftballon erfunden hatte, ehren wollte.

Die Nachahmung der Wasserzeichen führte oft zu Streit. Es fehlte nicht an Anregungen, ein Gesetz zu schaffen, daß jede Mühle ihr eigenes Zeichen zu führen habe und niemand es nachahmen dürfe. Doch es blieb bei Hader und Streit bis ins 18. Jahrhundert. Papier aus Basel mit dem »Baselstab«, das überall sehr begehrt war, und das holländische »Pro-Patria-Papier«, das ebenfalls einen vorzüglichen Ruf hatte, waren zu ihrer Zeit einer solchen Konkurrenz durch nachgeahmte Wasserzeichen besonders ausgesetzt.

Die wohlgelungenen Formen der alten Wassenzeichen und anderer Signete zeigen das Bestreben, dem Arbeitserzeugnis durch eine ansprechende Kennzeichnung einen besonderen Wertcharakter zu verleihen, ihm die handwerklich-persönliche Note zu geben. Uns sind diese Kennmarken Herkunfts- und Qualitätsmerkmale. Ihre reizvollen Schmuckformen – Kleeblatt und Rose, Eichenlaub und Eicheln (8) –, ihr sinnbildlicher Ausdrucksreichtum fesseln Auge und Sinn. Das Papier ist ein edler Werkstoff, das Wasserzeichen verleiht ihm auch heute noch das Gewicht besonderer Kostbarkeit.

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Polnische Buchstaben

Typografisches und Schriften im Nachbarland

Im Moment bin ich wieder einmal in Polen, um mich im Riesengebirge zu erholen. Ein Grund, etwas zu polnischer Typografie bzw. genauer zu polnischen Schriften zu schreiben.

Fährt man ins östliche Nachbarland, so fällt dem typografisch Interessierten zuerst einmal die Schrift der polnischen Verkehrsschilder auf. Mit dem charakteristischen, abgeschnittenen e und dem individuellen runden a.

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Ein komplettes Schriftmuster findet man im Internet und →Hier, für die Schriftenjäger und Sammler.


Schriften für Mengentext und Display

Nun, Verkehrsschilder sind eines, interessanter sind für mich Satzschriften. Also habe ich etwas über polnische Schriften recherchiert. Gibt es die tatsächlich, typisch polnische Typo und Schrift? Und wenn ja, wie heißen diese Schriften und was sind ihre Eigenheiten? Da in Zeiten von Windows-PCs die Arial auf manchem neuen polnischen Straßenschild Verwendung findet und die Schriften der Corel-Draw-Bibliothek inzwischen auf der letzten Mülltonne an der ukrainischen Grenze angekommen sind, muss ich früher ansetzen, um typisch polnische Schriften aufzuspüren. Nicht sehr einfach für jemanden, der weder der polnischen Sprache mächtig ist, noch irgend einen familiären Bezug zu diesem Land hat. Und da Schriften ähnlich wie Türklinken sind – man liest, d.h. benutzt sie jeden Tag oft, aber kaum jemand erinnert sich an die konkrete Form – kann man vor Ort auch nicht schnell fragen, welche Schrift früher oft verwendet wurde.

Ein paar sehr individuelle polnische Eigenheiten habe ich zumindest herausgefunden und hier zusammengetragen. Polen gab es als eigenen Staat erst wieder nach dem ersten Weltkrieg, und so habe ich keine alten Schriften gefunden, die irgendwie den Eindruck vermitteln, sie hätten etwas typisch polnisches. Die große Diversifizierung im Schriftbereich und der Boom der →Schriftgießereien setzte erst im 19. Jahrhundert in der deutschen Gründerzeit ein. Im gesamten 19. Jahrhundert gab es Polen nicht als eigenen Staat und daher gibt es auch keine nennenswerten nationalen Einflüsse im Bereich der Gestaltung von Druckschriften.

Das änderte sich in der Zeit der polnischen Nationalbewegung in den 1920er Jahren. So gibt es eine Schrift, die ziemlich eigentümlich ist. Mit Formen der Buchstaben, wie sie eben nicht in Deutschland oder Amerika üblich waren. Es ist die →Półtawski-Antiqua von Adam Półtawski. Mit dem ganz charakteristischen g. Ein rundes w und y ergeben zudem ein gefälligeres Schriftbild mit den für polnische Texte typischen Buchstabenabfolgen. Besser, als wenn die üblichen spitzen Formen von w und y verwendet werden. Nirgendwo außerhalb Polens ist mir diese Schrift bisher über den Weg gelaufen. Und selbst dort erscheint sie ausgestorben zu sein. Außer als Schriftmuster habe ich sie zuletzt auf meinen ersten Polen-Reisen gesehen. In Formularen, Überbleibsel aus der kommunistischen Zeit, schlecht gedruckt auf holzhaltigem Papier. Schon lange sind diese Druckerzeugnisse durch Laser-Ausdrucke ersetzt und damit auch die Poltawski-Antiqua mit ihrem charakteristischen g durch TimesNewRoman mit dem für uns gewöhnlichen g.

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In der Zwischenkriegszeit und in der kommunistischen Ära wurde diese Schrift gut verwendet, oft so lange, bis jede Bleiletter in den 70ern oder 80ern derart abgetragen war, dass kaum noch damit gedruckt werden konnte. Danach gab es oft direkt den Quantensprung zu DTP mit Windows-PC und den bekannten, internationalen Standardschriften. Arial läßt grüßen. Die Poltawski-Antiqua mit dem charakteristischen g hat es nicht in diese digitale Zeit geschafft. Jedenfalls nicht wirklich. Zwar gibt es eine digitale Version von →Janusz Marian Nowacki, der sich zum Ziel gesetzt hat, historische polnische Schriften zu digitalisieren und so zu erhalten, jedoch scheint sie in Polen keiner mehr zu brauchen bzw. zu mögen. Offensichtlich als rückwärtsgewandt angesehen, dieses g –warum sollte man solche nationalen Eigenarten aus schlechteren Zeiten erhalten?  Jedenfalls habe ich die Poltawski-Antiqua nie wieder im Einsatz gesehen. Und genauso wenig ähnliche Formen, wie die Serifenlose zur Poltawski-Antiqua, digital entstanden unter dem Namen Grotesk Polski. Wenn Sie testen mögen, die digitale Poltawski-Antiqua gibt es gratis in drei Schnitten auf den Internetseiten von Janusz Marian Nowatzki.

Grotesk-Polski

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Nowacki hat sich um zwei weitere Schriften gekümmert, die ich durchaus als typisch polnisch bezeichnen würde. Die →Antykwa Toruńska von →Zygfryd Gardzielewski, entworfen 1960. Sie wirkt etwas wie eine mit Tilden und Wellenbewegungen aufgehübschte →Candida. Für Mengentext ist sie nicht wirklich geeignet, der beste Verwendungszweck ist wohl für leicht edel-etabliert anmutende Wortmarken, vielleicht mit polnischem Touch, erinnern die leichten Wellen in den Waagerechten doch an polnische Handschrift (s.u.). Ich selbst habe sie vor einigen Jahren für das Wort Urkunde gebraucht, in Versalien gesetzt, etwas gesperrt, klassische Anmutung. Dafür funktioniert sie gut. In Polen habe ich sie außer für ein wenig gelungenes Logo eines Café noch nicht im Einsatz gesehen.

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Cyklop ist eine Display-Schrift, aus der Zwischenkriegszeit. Man könnte diese Schrift als einen etwas eigenwilligen Klon der bekannten Broadway halten. Man sieht sie immer noch mal ab und zu in oft individualisierten Varianten auf alten Schildern etc. Auf jeden Fall eine interessante Alternative zur Broadway.

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Was bleibt noch zu sagen über polnische Schriften? Erwähnenswert ist auf jeden Fall die Schrift Blanke, die in den polnischen Telefonbüchern verwendet wird. Entworfen 1993 von Felix Tymcik. An traditionelle Elemente polnischer Beschriftungen anknüpfend, mutet die Blanke individuell und zu Polen passend an. Zudem ist sie so entworfen, dass die Punzen (Öffnungen) beim Druck auf schlechtes, saugfähiges Papier nicht zulaufen. Sehr interessant auch hier die Form des g. Weiter möchte ich Łukasz Dziedzic erwähnen, der heute fester Bestandteil der polnischen Schriftgestalter-Szene ist und einige bekannte Schriftfamilien entworfen hat, unter anderem den Google-Font Lato. Allerdings, international und modern anmutende Glyphen, ohne an Formen anzuknüpfen, die man als typisch polnisch empfinden könnte – sieht man einmal von durchaus vorhandenen Alternativglyphen ab. Etwas von diesen polnischen Eigenheiten sind vielleicht in den Fonts Achimow und Helga vorhanden.

/portfolio/?Family=Achimov
http://alfabety.pl/portfolio/?Family=Helga Versalien

http://www.myfonts.com/country/pl/

http://luc.devroye.org/poland.html

http://www.twardoch.com/download/poltype/

Łukasz Dziedzic

Blanke

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Apollonia ist eine Schrift mit dem Anspruch, dass darin gut Texte in polnischer Sprache mit ihren Konsonantenfolgen gesetzt werden können. Die Stärke liegt sicher in den speziellen Ligaturen und dem runden w und y. Wie bei der Poltawski Antiqua liefern beide bei polnischen Texten ein besseres Satzbild. Die Schrift gibt es in mehreren Schnitten zum Download (Link unten).

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Handschriften

Richtet man jetzt die Betrachtung vom gedruckten Text weg hin zur geschriebenen Schrift, so fallen schneller nationale Eigenheiten auf, die typisch polnisch sind. Die Buchstabenformen der Handschrift sind ja einerseits individuell durch den Schreiber bedingt, andererseits werden sie jedoch auch durch die dem Schreiber zuerst vermittelte Schulschrift bedingt. In fast jedem Staat wird die Schrift mit anderen Ausgangsformen gelehrt und dementsprechend entwickeln sich die Handschriften erfahrener Schreiber unterschiedlich. Schnell vermittelt eine handgeschriebene Weihnachtskarte, dass sie aus Polen kommt. Oft reichen die Ziffern der Postleitzahl, das zu erkennen. Was macht die Handschrift also typisch polnisch? Es sind die tildenartigen, kleinen, horizontalen Wellen. Zum Beispiel im z oder Z, in der 7, der 2 oder der 5. Wo sonst ein wagerechter Strich ist, geht’s in Polen mit tildenförmig geschwungen zur Sache. Außerdem wird gerne aufrecht und Buchstabe an Buchstabe geschrieben. Das W zudem oft mit zwei äußeren Senkrechten.

Einen kleinen Eindruck dieser kleinen Wellen gibt die Schrift Cookie von Ania Kruk wieder, ein Google-Font. Schauen Sie sich die Ziffern an, das Z, z und J. Einen anderen Eindruck gibt die Schrift Konstytucyja, hier vor allem die Kleinbuchstaben. Diese typische Form des Z mit tildenförmigen Waagerechten sieht man auch sehr oft, wenn handschriftlich Druckbuchstaben geschrieben werden. Praktisch ist dieses Z in jedem größeren Büro schnell in den Beschriftungen der Ordner zu entdecken oder an der Tür des Lebensmittelladens. Zapraszamy (=kommen Sie herein), natürlich mit dem geschwungenen Z – wie sonst in Polen?

Cookie

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Konstytucyja

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Schilder und Lettering

In meiner kleinen Sammlung über polnische typographische Eigenheiten fehlen noch Schilder und Beschriftungen. Heute mag man in Polen Schilder und Schriften in allen bunten Farben. Das ist nicht verwunderlich, wenn man 40 Jahre im grauen Sozialismus und Mangelwirtschaft gelebt hat. Mainstream-Typo, Schriften und Hintergrund oft in der Kombination gelb-orange, rot, blau. Meist in Abwesenheit eines Typografen produziert. Mit den Schriften, wie es auch das Corel-Draw-Paket in Auswahl und Qualität hergibt. Werbetafeln gibt es zur Zeit in hoher Buntheit und Sättigung, wie es die modernen Large-Format-Printer hergeben. Nationale Eigenheiten – gibt es. Je größer, je besser und gerne mit Foto. Aber nichts Spezifisches, was nicht ein internationaler Corel-Draw-Baukasten schon mitliefert.

Bleibt also zu schauen, ob es speziell polnische Eigenarten aus der Zeit vor Folienplot und DTP gibt. Als charakteristisch fielen mir auf meinen ersten Polen-Reisen die serifenlosen Schriften mit unterschiedlicher Strichstärke auf. Oft condensed und immer etwas starr anmutend. Im Schilder- und Beschriftungsbereich hat man in Deutschland serifenlose mit unterschiedlicher Strichstärke nur selten. Rot sahen die typischen Hinweisschilder aus, in polnischen Nationalfarben, mit weißen Versalien, schmale, serifenlose Buchstaben. Etwas streng, aber nicht wahrnehmbar konstruiert. Es gibt sie noch, diese Schilder mit diesen charakteristischen Schriften, allerdings immer seltener. Die Schrift im →Zywiec-Logo ist übrigens in diesem Stil, nur dass es eine Serifenschrift ist, wodurch die Wortmarke freundlicher wirkt.

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  •  Einfahrt für Lastautos und Pferdewagen verboten

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  • Schablonenvariante. Ach hier die betont unterschiedlichen Strichstärken.

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  • Gleicher Stil, nur mit leichten Serien

Inspiriert von diesen schmalen, strengen serifenlosen Condensed-Schriften mit unterschiedlichen Strichstärken – die mir bis dahin ziemlich fremd waren – habe ich vor mehr als 20 Jahren mit einem rudimentären Font-Editor eine digitale Version der Schrift Schadow Bold Condensed von ihren Serifen befreit und etwas umgearbeitet. AnetaK heißt die Schrift und schlummert seitdem in den Fontwelten der Backup-Festplatte. Experiment, privat, außer für einen Gummistempel nie eingesetzt.

AnetaK

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Kfz-Nummernschilder

Wahrscheinlich sind sie wie die Nummernschilder in anderen Staaten fälschungssicher, maschinenlesbar aus dem mitgeschnittenen Video oder sonstwie. Typografisch sind sie genauso wenig wie in Deutschland oder andernorts, machen in der Gesamtwirkung jedoch noch eine halbwegs gute Figur.

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  • Typo der polnischen Kfz-Nummernschilder
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Vorsätze 2014

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Es gibt sie noch, die guten Vorsätze.

Auch für 2014 gibt es sie noch, die schönen und die schlichten Vorsätze. Wenn wir dann jedoch immer mehr »in eBooks machen« bleibt nicht viel an →Vorsätzen. Ok, die schönen Vorsätze wird es noch etwas länger geben. Und wenn dann 2020 alle auf eBooks und Apps umgestellt haben, gibt’s bestimmt animierte Zwischentitel und schön gestaltete eBook-Vakatseiten – sozusagen als Vorsatz-Ersatz.

Ihre Vorsätze für 2014 sehen aber bestimmt gaaanz anders aus?

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QR-Code – Augmented Reality gestempelt

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QR-Code-Stempel

Crossmedia und die Kombination von Holzmedien mit digitalen Medien ist ja ein Dauerbrenner. QR-Codes und ähnliche musterbasierte Marker sollen den Print-Medien Mehrwert auf Teufel komm raus verschaffen.

Auf diesen Zug bin ich aufgesprungen. Meine Briefe, Bücher und allerlei Papiersachen, auf die man gewöhnlicherweise einen Adress-Stempel aufstempelt, haben jetzt mit einem aufgestempelten QR-Code den Zugang zu einer »erweiterten Realität«, im Zeitgeist auch Augmented Reality genannt.

Ich habe mir einen Stempel mit einem QR-Code anfertigen lassen, der zu einer Mini-Website verweist. QR-Reader-App im Smartphone gestartet – Klick – zur URL der Website – alle Infos sind da. Vielmehr als je auf einen Gummistempel gepasst hätte.

Natürlich könnte der QR-Code auch auf ein Facebook-Profil, auf dieses Blog, auf eine Firmenwebsite oder auf ein LinkedIn- oder Twitter-Profil verweisen. Der Code kann ja schließlich zu jeder Internetadresse der Welt verlinken. Ich fand jedoch, dieses ist nicht die richtige Augmented Reality für meine Briefumschläge oder meine Bücher. Daher hab ich mir schnell eine kleine Website erstellt, natürlich optimiert für Smartphones und Tablets, denn den QR-Code fotografiert man ja in der Regel mit diesen Geräten und nicht mit Notebook oder Desktop-PC. ►Hier gehts zu der Augmented Reality des abgebildeten Stempels. Diese simplen smartphone-optimierten Websites erstelle ich übrigens schnell und ganz ohne Programmieren mit einer iPad-App (die ich demnächst einmal vorstelle).

Nachmachen? – Empfohlen, ganz klar.

Den QR-Code kann man online erstellen bei http://goqr.me/. Davon wird dann einfach ein Stempel angefertigt. Fairerweise platziere ich noch die Internet-URL unter dem QR-Code, da manch einer ja keinen QR-Code fotografiert, von dem er nicht weiß, wo der hin verlinkt. Da soll ja denn auch keiner die Katze im fotografieren, ohne zu wissen, dass es eine Katze ist.

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Digitaler Barock

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KOHLENLAGERPLATZ – GENTRIFIZIERT – THE HOUSE

Gestern kam ich durch die Anklamer Straße und vor dem Eckhaus zur Fehrbelliner (dort, wo früher ein Sonnenstudio im Erdgeschoß war und heute die Ergotherapie-Praxis ist) stand ein schwarz-weißer Kubus am Straßenrand. Ein Würfel, der in etwa zwei bis drei Parkplätze beansprucht, so in der Form eines aufgehübschten Baucontainers. Kunst, oder Event, dachte ich zuerst. Das wäre hier nicht ungewöhnlich. Bei näherem Hinsehen sah ich dann, dass »Natulis« dran stand. Aha, hier wird gebaut, war mein erster Gedanke. Natulis ist nämlich ein Bauträger und hat vor kurzem die Veteranenstraße 20 gebaut, direkt neben dem Acud-Kino. Damals stand so ein Container mit permanenter Maklerbesatzung dort an der Veteranenstraße.

Diese – zweifellos nicht unschicke – Maklerbude soll hier das Projekt »The House« promoten und vermarkten. Gegenüber war bis vor kurzer Zeit der Kohlenhändler Peter Hantke. Auf einem kleinen, fast dreieckigen Grundstück, begrenzt durch drei Brandmauern und die Straßenfront. Über Relikte und Anachronismen wird ja immer gerne geschrieben, so auch über den Kohlenhandel. Lesen sie dazu im Archiv der Prenzlauerberg Nachrichten, der Berliner Zeitung, bei Kirsten Küppers, im Freitag oder bei Qype. Jetzt ist er weg, der Kohlenhandel. Der Bürgersteig ist sauber. Und da man in Mitte ja jede noch so kleine, irgendwie bebaubare Lücke ausnutzt, um sie mit komfortablen und hochpreisigen Eigentumswohnungen zu bebauen, entsteht hier das Projekt mit dem einfallsreichen Namen »The House« – Gentrifizierung eben. Ok, der unaufgeräumte Kohlenplatz passte nicht mehr in diese inzwischen ansehnlich fein gewordene Straße. Eine andere sinnvolle Nutzung für ein Grundstück mit drei Brandmauern? Gibt es nicht wirklich. Also doch bebauen, meinetwegen auch mit »The House«.

Interessant finde ich bei diesen Bauprojekten, die nun mal nicht eine erste Lage haben, sondern auf Lückengrundstücken erfolgen, immer diese ausgesprochen blumigen Beschreibungen und Ideen der Aufwertung.

Fliegerbombenlücke, nicht besonders groß, in den letzten 20 Jahren Kohlenplatz, bis zum 2. Obergeschoss dreiseitig mit Brandmauern umschlossen. Was soll man tun, damit das hochpreisig verkaufbar wird? Bei »The House« hat man einen Künstler beauftragt, macht das Projekt zum Kunstwerk. Digitaler Barock heißt das dann. Näheres können Sie auf der Projektseite beim Vermarkter lesen.

Ob ich nun in diesem Kunstwerk leben möchte? Ok, im 4., 5., 6.OG sicher, da verspricht Licht und Sonne hin zu kommen. Mit Sicherheit möchte ich jedoch nicht das Kind in der Schaukel aus der Promo-3D-Animation sein, im Mini-Lichtschacht-Hof, von Mauern umgeben. Da hilft auch künstlerische Wandgestaltung nicht.

Schauen wir mal, wie das so anläuft in der Anklamer Straße. Das Quartier hier wird sicher wieder etwas aufgewertet, und wahrscheinlich finden sich auch Käufer für Wohnungen im Erdgeschoss oder im 1.OG die, trotz raumhoher Fenster immer noch relativ dunkel bleiben. Klar, das kann man sich hell reden. Vermarktet wird das Projekt von Ziegert, sicher eine der angenehmeren Maklerfirmen der Hauptstadt, werden Sie dort wohl nicht auf Mitarbeiter mit schmieriger Makler-Attitüde in knittrigen H&M-Anzügen mit Schuppen auf dem Kragen treffen. Und in gewissen Preisklassen spielt der Preis doch eigentlich keine Rolle. Man erwirbt schließlich Kunst…

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Handgeschriebene Schriften – Schriftvorlagen als Reprint

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Gut passend zu meinem Beitrag über die Rundschrift möchte ich Ihnen heute den Reprint eines Hefts mit Vorlagen zur Beschriftung von Plänen und technischen Zeichnungen vorstellen; erstmals erschienen im Jahre 1905. Das von einem Franz Endreß verfasste und im Hamburger Hafried-Verlag publizierte Heft enthält mehr als 30 Schriftmuster, die man gut mit der Hand schreiben kann – eine gewisse Affinität und Geschicklichkeit vorausgesetzt. Späte Gründerzeit-Typo-Ästhetik galore.

Seit gestern ergänzt das im Verlag Hermann Schmidt erschienene DIN A6 große Reprint-Heft den Fundus meines Kontors. Ein schönes Sammelstück. Freilich weniger, um konkrete Vorlagen zum Schreiben haben, sondern eher für den Überblick über die Schriften und Art der Beschriftung, die uns in den Plänen und Zeichnungen des beginnenden 20. Jahrhunders begegnen.

Sehr angetan bin ich zudem von Vorwort und Klappentext der Veleger Karin und Bertram Schmidt-Friderichs. Das Wiederentdecken des Hefts muss bei ihnen so ähnlich abgelaufen sein, wie bei mir das Stöbern im Kontor. Déjà-vu.

Anschauen können Sie das Booklet im der Kunst und Design-Buchhandlung Ihres Vertrauens, oder Sie kaufen es ganz einfach, online-antiquarisch oder als →Reprint.

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Design & Typo

Déjà-vu – Cella

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Immer öfter passiert es mir in letzter Zeit, dass ich gerade irgendwo spazieren gehe und eine meiner Schriften sehe. Vor einiger Zeit habe ich ja einige Schreibmaschinenschriften digitalisiert und einige dann gibt es als Computer-Font zum Gratis-Download beim sehr bekannten Internet-Portal dafont.com. Vorgestern kam ich in der Passage des Quartiers 206 beim Berliner Store von Napapijri vorbei und zwei Pappaufsteller im Schaufenster fielen mir ins Auge. Darauf jeweils eine Typo, ganz klar in meiner Cella gesetzt. Cella hab ich diese vorzerstörte Schreibmaschinenschrift damals genannt, nach der gleichnamigen Robotron-Schreibmaschine aus Zella-Mehlis. Selbst wenn nur ein paar Buchstaben auf den Aufstellern sind und es inzwischen viele ähnliche Schreibmaschinenschriften mit mit unsauberer predestroyed-Anmutung gibt, ich erkenne sie natürlich sofort, so ähnlich wir man Kinder und Partner an ganz wenigen Details erkennt. Hier sind zwei Handyfotos von beiden Aufstellern. Wer die Cella haben möchte, hier gibt es den Font zum Download: www.dafont.com/cella.font

Design & Typo

Guerrilla Yardwork

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Vor ein paar Tagen hatte ich einen größeren Brief aus Amerika im Briefkasten, genauer gesagt aus Portland. Etwas überrascht öffnete ich ihn und es war ein Buch drin. Guerrilla Yardwork von Peter Korchnak. Ein Belegexemplar, da ich zwei meiner Schriften für dieses Projekt zur Verfügung gestellt hatte, die F25 Executive, in der auch die Titelzeile gesetzt ist und außerdem die F25 Typewriter Condensed. Ich habe mich sehr darüber gefreut, sind solche Belegexemplare doch eher selten geworden und wenn ich sie bekomme – manchmal auch nur als PDF – dann in der Regel aus den USA.
Mehr über das Buch könnt Ihr hier lesen: guerrillayardwork.com