Design & Typo · Gesellschaft

Plagt dich Kummer oder Ärger…

Vor einigen Wochen war ich nach langer Zeit wieder in Ostwestfalen. In Bielefeld, meiner Geburtsstadt. Natürlich kommen bei so einem Besuch viele Kindheitserinnerungen auf und manchmal gehören dazu ganz subtile Kleinigkeiten. So sprang mir während unserer Kneipentour mit den Bielefelder Flaneuren ein Bierdeckel ins Gedächtnis, den es im Haushalt meiner Großeltern gab und von dem ich schon als Kind fasziniert war. Es ist ein Bierdeckel der →Brauerei Dittmann aus Langenberg, in der Nähe von Gütersloh.

»Plagt dich Kummer oder Ärger, trinke Dittmanns Langenberger« heißt der flotte Spruch auf den Deckel. Flott, naja Sie wissen schon, in den 50ern und 60ern wurde einfarbig gedruckt und der Durchschnittsbürger verstand sowieso kein Englisch. Da musste man sich als Werber etwas einfallen lassen um in Erinnerung zu bleiben. Gerne griff man in dieser Nierentischära auf Slogans mit Ohrwurmqualität zurück, mit Reim und Witz. Diese Ohrwurmqualität hat der Spruch auf dem Deckel sicherlich. Richtig getoppt wird er jedoch durch die Illustration, durch dieses rundliche Gesicht eines in die Jahre gekommenen Mannes, der griesgrämig schaut, offensichtlich geplagt von Kummer und Ärger. Und zack, dreht man den Deckel um 180°, so wird aus dem trüben Gesicht plötzlich ein freundlich lächelndes.

Diese Illustration, die ganz einfach durch Spiegeln bzw. um 180° drehen von grimmig zu freundlich wechselt, faszinierte mich schon als Kind und fasziniert mich heute immer noch. Leider kann ich den Gestalter nicht ermitteln. So ein Gesicht zu zeichnen, dass nur durch einfache Spiegelung bzw. Drehung um 180° den Ausdruck von böse nach heiter wechselt, ist nämlich nicht so trivial, wie es vielleicht erscheint. Hier ist es gut gelungen. Ich habe eine kleine Animation erzeugt (ein animiertes GIF-Bild), alle 5 Sekunden mit dem Wechsel zwischen grimmig und heiter.

Nicht nur grafisch ist der Deckel ein Zeitzeugnis längst vergangener Jahrzehnte. Mit simplerer Technik, anderen Werten und anderem Tempo. Die Welt der fünfziger und sechziger Jahre. Als der Lohn noch in der Tüte ausgezahlt wurde und es in den Städten noch richtige Eckkneipen gab. Als mancher am Zahltag erst einmal einen über den Durst trank und Wirt und Wirtin noch Therapeutenfunktion hatten. Eine Welt, in der Rauchen zum guten Ton gehörte und man barocke Körper und Gesichter den hageren vorzog, die »ja nichts zuzusetzen haben«, wie es allgemein hieß. Schauen Sie sich Ludwig Erhardt an, der auch körperlich recht gut das westdeutsche Wirtschaftswunder repräsentierte.

Als moderner Mensch 3.0, der sich gesund ernährt, ausreichend bewegt, auf Idealgewicht und BMI achtet und niemals zu Suchtmitteln zwecks Stimmungsverbesserung greift, muss Ihnen dieser Bierdeckel zweifelsohne wie aus einer Dinosaurier-Zeit erscheinen und zudem nicht politisch korrekt, mit der Aufforderung, Kummer und Ärger ganz einfach mit Bier zu begegnen. Stimmt, nach gentrifizierten-3.0-Lebensmaßstäben wäre der Deckel ein Fall für den Werberat. Früher hat das jedoch niemanden interessiert. Die Brauerei gibt es schon seit 1974 nicht mehr.

Ach ja, den →Deppen-Apostroph gab es damals schon, und es gibt es heute immer noch. Typographisch über Jahrzehnte nichts dazugelernt.

Design & Typo · Gesellschaft

Wiedergeburt

als Lampe

Nun, so geht es denn. Nicht jedem läuft die hübsche Maria Magdalena hinterher, während er bereits auf Höhenflügen ist. Der hier – Sie kennen ihn aus Film und Fernsehen – ist auch längst wiederauferstanden. Als Lampe im Park, gesehen im Rosengarten des Berliner Weinbergsparks. So leuchtet er denn wohl erst einmal eine Weile vor sich hin.

Ach, Blödsinn, gibt’s doch alles nicht, sagen Sie? Ok, dann hat da vielleicht ein Lampendesigner einfach zu viel Star Wars geschaut.

 

 

 

Gesellschaft · Reisen

Flaneursgeprüft

blogger

Jetzt mit Prüfsiegel der Bielefelder Flaneure.

Vom internationalen Bloggertreffen in der Stadt, die es trotz →Bielefeld-Verschwörung sehr wohl doch gibt, hatte ich bereits berichtet. Am Abend führten uns die →Bielefelder Flaneure in Lokale, die wir allesamt wahrscheinlich nicht gefunden und niemals besucht hätten. Freilich sind die Tipps der Bielefelder Flaneure im Internet zu lesen, ich kannte sie bis dato jedoch nicht.

Das Bielefelder Westfalenblatt  – die eine Lokalpostille meiner Geburtsstadt – schreibt über die Bielefelder Flaneure, sie seien ein bundesweit einzigartiges Projekt. Der WDR konkretisiert, sie bestünden aus sechs Männern im besten Alter. Die Flaneure ziehen regelmäßig durch Futterkrippen, Imbiss-Gaststätten, und Bierkneipen und schreiben über die guten dieser Lokale Berichte, die überaus lesenswert sind, wie die andere Bielefelder Lokalpostille, die Neue Westfälische, schreibt. Einige Jahre, seit 2007, machen die Herren das nun schon in Bielefeld und ihr Blog ist quasi ein Kneipen- und Imbiss-Führer der anderen Art. Eine Menge Lokale werden hier vorgestellt, die von Kultstatus und  Gepflegt-Essengehen gleichermaßen weit entfernt sind. Dort, wo ich niemals allein oder zu zweit Station machen würde, akute Hungersituationen vielleicht ausgenommen, oder wenn ich in der Nachbarschaft wohnen würde und mir Kummer und Sorgen wegtrinken müsste. Von diesen Imbiss-Gaststätten und Bierkneipen gibt es ja viele. Die guten finden Sie im Blog der Bielefelder Flaneure. Drumherum um diese Kneipenbesuche haben die Flaneure ihr Projekt als Marke aufgebaut, mit allerlei, was dazugehört. So gibt es für die Lokale Aufkleber und Gütesiegel für die Tür, ähnlich wie Michelin, Millau und Merian sie vergeben. Und außerdem richtig schön gestaltete Postkarten für den Karten-Ständer auf dem Weg zum Klo.

Anders als zum Beispiel die Yelp-Kneipenbesuche hier in der Hauptstadt sind die Bielefelder Flaneure ein geschlossenes Team. Klar, wer einen Flaneur kennt, darf gerne mal mitflanieren. Öffentliche Termine gibt es jedoch nicht. Das ist nicht das Konzept. Wäre ich nicht nur ein in Bielefeld geborener, sondern ein in Bielefeld gebliebener, so würde ich vermutlich ab und zu mit zu den Bierkneipen und den Futtern-wie-bei-Muttern-Grilltheken flanieren.

Drei Dinge, falls Sie also nach Bielefeld fahren:

  1. Sie werden nicht enttäuscht sein. Die Stadt gibt es trotz Bielefeld-Verschwörung wirklich. Sie finden sie schnell und einfach: A2, kurz im Stau warten, und schon sind Sie dort.
  2. Teuer und mit weißer Stoffserviette essen und nicht satt werden können Sie hier auch irgendwo.
  3. Schmackhaft wie bei Muttern ist es hingegen dort, wo Sie das Label der Bielefelder Flaneure finden. Bevor Sie jetzt jedoch durch die Bielefelder Straßen irren, lesen Sie vorher im Internet bzw. Blog der Flaneure.

Und manches frisch gezapfte Bier und Parlieren mit flaneursgeprüfter Wirtin erspart den Gang  zum Therapeuten.

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Bi:lefeld 14

2014-03-31-Neue-WestfälischeInternationales Blogger-Treffen in Bielefeld.

Miz Kitty bloggt ja schon lange und war eine Zeit lang eine feste Größe in der Blogger-Community des österreichischen Blog-Hosters twoday.net. Einige Jahre ist der Boom dieser Blogger-Communities her, es war die Zeit vor Facebook und Twitter. Eine ganze Anzahl Blogger, die in dieser Zeit schon aktiv waren, haben über die Jahre schon ziemlich viel voneinander gelesen, auch wenn sie heute zum Teil nicht mehr im Iron-Blogger-Takt schreiben. Ein Teil dieses harten Kerns der twoday-Blogger traf sich letztens in Bielefeld. Miz Kitty war selbstverständlich auch dabei und ich ebenso – zwar nicht zum harten Kern der twoday-Blogger gehörend, jedoch angeheiratet, und auch schon seit 2008 bloggend.

Frau Ro hatte eingeladen und hat mit ihrem Gatten für uns ein vorzügliches Treffen in der ostwestfälischen Metropole am Teutoburger Wald organisiert. Mit Stadtführung, leckeren Steaks und bunten Cocktails. Ich traf also auf ausgesprochen nette Blogger und daran, dass es Bielefeld nicht gibt, hatte ich sowieso schon immer berechtigte Zweifel. Am Abend hatten wir dann unseren den großen Pressetermin und sind mit den →Bielefelder Flaneuren durch die Stadt gezogen.

Mich verbindet mit dieser ostwestfälischen Perle ja etwas Besonderes. Vor einem knappen halben Jahrhundert bin ich dort geboren und seither ziert das Wort Bielefeld alle wichtigen Personalpapiere. Aufgewachsen bin ich in dieser Stadt jedoch nicht, habe jedoch vor fast genau 30 Jahren dort ein Praktikum absolviert – in einer Maschinenbau-Fabrik, in der Loctite-Sekunden-Kleber als Atomkleber bezeichnet wurde. Wir verwenden den Begriff noch heute dafür. Damals hatte sich Bielefeld übrigens den Claim Die freundliche Stadt am Teutoburger Wald zugelegt, was im Volksmund in →Bielefeld, die freundliche Baustelle am Teutoburger Wald umgewandelt wurde. Wegen der in dieser Stadt schon immer größenwahnsinnigen Straßen- und U-Bahnbau-Aktivitäten.

Die ostwestfälische Landschaft ist ja durchaus nicht zu verachten. Das Ravensberger Land zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald ist abwechslungsreich und kleinteilig. Die Höhenzüge mit Mittelgebirgsqualität. Neben allen face-to-face-Begegnungen war für mich die Stadtführung interessant, die uns unter anderem in die Gegend führte, in der meiner Großmutter von 1921 bis 1924 in der Nähstube von Frau Voigt Damenschneiderin lernte. Das muss rund um die Viktoriastraße gewesen sein. Meine Großmutter hat mir viel von dieser Zeit erzählt.

Über die Bielefelder Flaneure werde ich im nächsten Beitrag schreiben.

 

 

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Name, Marke, Internet-Adresse

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In den letzten 18 Jahren – solange wie ich im Internet aktiv bin – habe ich viele Internet-Adressen registriert und einige inzwischen recht etablierte Markennamen gehen auf meine Ideen zurück. Mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen einige Tipps für die Auswahl eines Namens für ein Projekt, ein StartUp, ein Blog oder einfach als Nickname in Social-Media-Communities geben.

Schall und Rauch – egal

Nein, keineswegs. Nur ganz schmerzbefreite und uneitle Zeitgenossen nennen ihr Projekt oder ihr Blog einfach so, wie es ihnen gerade in den Sinn kommt, z.B. DA25GVK, was vielleicht einer Nummer auf einem Schlüssel oder entspricht, den sie gerade in Hand haben. Zwar einzigartig und kurz, aber eben nicht sehr einprägsam. Dazu beliebig und ohne Botschaft, auf neudeutsch »ohne Message«. Namen wie »Blumenfee247« oder »Partisan80« sind freilich individueller und enthalten eine Botschaft, die genauer betrachtet aus einer Selbstkundgabe besteht. Wenig einzigartig ist jedoch das Anhängen einer Zahl, weil zum Beispiel »Blumenfee« oder »Partisan« ohne Nummer schon vergeben waren.

Der gemeine Unternehmer, Blogger oder Social-Media-Aktivist möchte es hingegen individuell und unique. Möglichst selbstsprechend, einprägsam, mit einer guten Sprachmelodie und mit der passenden Botschaft darin – und zudem natürlich die passenden Internet-Adressen dazu. Damit fängt dann das kreative Namens-Suchen an, manchmal auch das Drama Namenswahl.

Schon vergeben, gibt es schon

Da es jede Internetadresse und in den Social-Media-Communities jeden Namen nur einmal gibt, sind viele Namen heute leider schon vergeben. In Vor-Internetzeiten interessierte es niemanden, wenn es in Braunschweig einen Teppichreinigungs-Dienstleister gab, der sich »Heimstaubsaugdienst« nannte und sich den Claim »schnell und sauber« zugelegt hatte und es im weit entfernten Koblenz eine andere Reinigungsfirma gab, die ebenfalls mit »Heimstaubsaugdienst, schnell und sauber« firmierte. Vielleicht wussten beide Firmen nicht einmal voneinander und für die Braunschweiger Kunden war der Koblenzer Heimstaubsaugdienst so was von egal wie der Sack Reis in China. Das hat sich mit dem Internet massiv geändert. Kaum jemand benutzt noch Telefonbücher und hebt Anzeigen auf. Die Kombination aus Smartphone, Internet und Google bahnt den schnellen Kontakt zum Braunschweiger Teppichreiniger zwei Straßen weiter – und der ist berechtigt ärgerlich, wenn mit seinem Namen der Koblenzer Konkurrent gefunden wird. Die weltweite Präsenz im Netz erlaubt keine gleichen Namen. Technisch nicht, und auch vom Anspruch der Einzigartigkeit her nicht. Das macht die Namenswahl oft kompliziert.

‚Nen »geilen Namen« gefunden

Hat man nach mehrfachen Denkspiralen wieder einmal einen »geilen Namen« gefunden, liefert Google schnell die Antwort, ob man mit seiner Idee zurückgepfiffen wird (weil: gibt es schon) oder, ob der Name bisher nirgends verwendet wird und die dazu passenden Internetadressen auch noch frei sind. Ist das tatsächlich so, hat man wirklich eine einzigartige Idee gehabt und fragt online das →Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts ab. Vor allem bei Kunstworten ist das wichtig (die eventuell mal als Produktnamen registriert wurden und nicht mehr im Internet präsent, aber eben geschützt sind). Diese Recherchen sind schnell gemacht und gleich danach sollten alle relevanten Internet-Adressen (z.B. mit .de- und .com-Endung) beim Web-Hosting-Dienstleister des Vertrauens registriert werden (z.B. bei 1und1, Variomedia, Host Europe, etc.).

Internet-Adressen registrieren

Wie gerade beschrieben, ist es absolut übliche Praxis, dass bei jeder neuen Namens-Idee geprüft wird, ob die Internet-Adressen dazu noch frei sind. Ist davon auch nur eine Variante schon vergeben, weiß man zumindest, dass diese Namens-Idee auch jemand anderes hatte und muss schauen, wie man weiter vorgeht.

Im deutschsprachigen Raum sind die Varianten mit .de und .com von zentraler Bedeutung. In Österreich ist natürlich noch die Variante mit .at-Endung und in der Schweiz die mit .ch relevant. Dort allerdings immer auch die .de-Variante. Besteht der Name aus einer Kombination mehrerer Wörter, die jemand in der üblichen Schriftsprache mit Leerzeichen dazwischen schreiben würde, dann sollten auch die Varianten der Internet-Adressen mit Bindestrich gesichert werden. Nicht, weil man sie selbst benutzen würde, sondern damit sie nicht mehr von jemand anderem mit der gleichen Namensidee registriert werden können, der entweder dreist ist oder schlecht recherchiert hat und sich einfach die erstbeste Variante zu seiner Namensidee sichert, und das ist eben zufällig die Variante mit Bindestrich. Das sollte besser nicht passieren. Aus gleichem Grund sollten auch die Varianten mit Umlauten (statt der üblichen Ersetzungen mit ae, oe, ue) registriert werden.

Beispiel

Betreibt jemand ein Restaurant oder eine Schneiderei und hat sich den Namen »Modeküche« ausgedacht, sollte er im Idealfall folgende Internet-Adressen registrieren:

  • modekueche.de
  • modekueche.com
  • mode-kueche.de
  • mode-kueche.com
  • modeküche.de
  • modeküche.com
  • mode-küche.de
  • mode-küche.com

evtl. auch noch

  • modekueche.at
  • modekueche.ch
  • mode-kueche.at
  • mode-kueche.ch
  • modeküche.at
  • modeküche.ch
  • mode-küche.at
  • mode-küche.ch

evtl. auch noch

  • modekueche.info
  • mode-kueche.info
  • modeküche.info
  • mode-küche.info

und vielleicht auch noch die Varianten mit .net und .eu

Das sind dann 28 Varianten, die freilich allesamt auf die gleichen Internetseiten umgeleitet werden. Macht ca. 28 Euro monatlich, da eine Internetdadresse ca. 1 Euro im Monat kostet. Für Privatleute und Blogger überdimensioniert, für Firmen jedoch sicher kostenmäßig kein Problem – und eine Sicherheit, den Namen weitgehend im Internet besetzt zu haben.

Besteht der Name nicht aus einer Wortkombination und sind keine Umlaute vorhanden, reduziert sich die Zahl der Varianten. Hat man sich statt Modeküche den simplen Namen ModeXY ausgedacht, reicht es, folgende Varianten der Internetadresse zu registrieren:

  • modexy.de
  • modexy.com
  • modexy.at
  • modexy.ch
  • modexy.info
  • modexy.net
  • modexy.org
  • modexy.org

Acht Varianten. Für unter 10 Euro im Monat zu haben und der Name ModeXY ist im Netz besetzt.

Damit nicht Blogger kommen und sich mit dem ausgedachten Namen einfach ein Blog bei den großen Blogdienstleistern Blogspot und WordPress einrichten, sollte man das schnell selbst tun und sich z.B. modekueche.wordpress.com oder modexy.wordpress.com sichern – das ist schnell gemacht und kostenlos dazu.

Ich wollte doch nicht das halbe Internet mieten.

Ich wollte doch nur eine Internet-Adresse für mein Blog. Dieses generalstabsmäßige Registrieren aller wichtigen Varianten wie ich es hier einmal für die Modeküche gezeigt habe, wirkt in etwa so, wie den Spatz mit der Kanone zu erschießen. Für Firmen, Start-Ups, größere Projekte oder auch für ein Blog, das nach Höherem strebt und sich als eine Marke aufbauen will, ist es jedoch sinnvoll, da man so mit geringen Kosten verhindert, dass namensgleiche Konkurrenten auftreten, die sich später im schlimmsten Fall den Namen als Marke eintragen lassen und einen selbst ins Off kicken wollen. Verhindern kann man so etwas freilich nie, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering, dass jemand sich nun ausgerechnet einen Namen zulegt, zu dem es keine Internet-Adresse mehr gibt, bzw. nur noch die mit den exotischen Endungen. Schon aus diesem Grunde sind die paar Euro im Monat gut investiert.

Für private oder nichtkommerzielle Internet-Angebote, die nur ihre bekannten Stammleser haben und nicht darauf angewiesen sind, im Netz per Google gefunden zu werden, mag das alles zu aufwendig sein. Richten Sie dann eine Internet-Adresse ein und leben damit, dass Sie vielleicht gleichnamige Konkurrenten haben und Sie im schlimmsten Fall den Namen wieder ändern müssen.

Gute Namen

Zum Ende dieses Beitrags kurze Hinweise zur Namenswahl:

  • Gute Namen sind kurz und einprägsam.
  • Gute Namen sind schön zu sprechen und haben eine ansprechende Sprachmelodie.
  • Gute Namen schreiben Menschen, die den Namen noch nie gehört haben, ohne weitere Hinweise intuitiv richtig.
  • Die Internet-Adresse ist in jeder Email-Adresse enthalten. Blöd, wenn man buchstabieren muss, auch weil z.B. hippe englische Begriffe enthalten sind.
  • Eine gute Internet-Adresse und Email-Adresse versteht ein Gesprächspartner problemlos am Telefon und schreibt sie automatisch richtig – ohne Buchstabieren.

Felix Punkt Mustermann Ätt Modeküche Punkt De Ee — Mit Uh Ee? — Schreibs, wie Du willst, kommt immer an.

Und selbst

Habe ich für dieses Blog nur die Adresse netznotizen.com registriert. Sehr wohl habe ich jedoch darauf geachtet, wer sich hinter netznotizen.de verbirgt. Ein älteres, nicht mehr aktives Projekt der niedersächsischen Literaturbüros. Weder ein Konkurrenz-Angebot noch ein Betreiber, der mir diesen Namen streitig macht.

 

 

 

Design & Typo · Gesellschaft

Mode-Küche

Über Mode-Blogger, Markennamen und das Verhalten von Geschäftsleuten.

Fashion-Blogs zählen nicht zu meinen vorrangigen Interessen. Content und Fotos dort relativieren sich mit dem Hintergrundwissen, dass Bekleidungsstücke oder Beauty-Accessoires, die dort vorgestellt werden, großzügig vom Hersteller gesponsort sind, inklusive der Einladung zu Events und Fashion-Weeks und der Absicht, dass darüber positiv gebloggt werden soll, – was meistens ja auch erfolgt.

Interessant ist an den Fashion-Blogs für mich jedoch, dass dort in der Regel recht junge Menschen – meist junge Frauen – quasi ihr eigenes Online-Magazin betreiben. Einige können zudem recht gut schreiben und haben ein gutes Gespür für Gestaltung, Layout und Fotos. So sehen Fashion-Blogs oft sehr viel besser aus als andere Blogs. Private Mini-Magazine, dazu ziemlich professionell gestaltet. Mit guten Amateur-Fotos, die sich manchmal frisch vom Stil der Modefotografie abheben. Dazu Storytelling und das Ganze meist inszeniert als One-Woman-Show. Fashion-Blogs sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie einfach Publishing heute ist und wie einfach – quasi zum Nulltarif – es möglich ist, ein kleines Online-Magazin zu produzieren, das allemal semiprofessionelle Ansprüche erfüllt.

Über eines dieser Fashion-Blogs wurde ich vor einigen Tagen auf das Blog → fashion-kitchen.com von Ann-Christin aufmerksam und auf die →Querelen, die sie im Moment mit einer Firma hat, die sich die Markenrechte des Blog-Namens Fashion Kitchen gesichert hat. Jetzt möchte diese Firma die Bloggerin zu Unterlassung der weiteren Verwendung des Namens zwingen, bzw. wird sie vermutlich mit hoch angesetztem Streitwert verklagen. Das deutsche Markenrecht macht’s möglich.

Solche Fälle interessieren mich immer, weil dieses Thema rund um Marken und Namen auch meine Arbeit betrifft. Dieses Interesse verstärkt sich noch, wenn ich erfahre, dass Unternehmen gegen Privatleute, Kleinunternehmer oder Blogger vorgehen, die sich gerade mal an der Schwelle vom privaten Projekt zum gewerblichen Angebot bewegen, auch wenn die Blogs und Internetangebote manchmal umfangreich sind und aufgrund einer hohen Fan-Community recht gut bei Google gelistet sind.

Vor ca. zehn Tagen las ich in einem Blog, die Firma hätte sich den Namen des Fashion-Blogs nachträglich registrieren lassen, mit dem Ziel, danach gegen die Bloggerin vorzugehen. So dreist war es wohl nicht, – so etwas gibt es auch, jedoch anderswo. Trotzdem erscheint mir das Verhalten dieser Firma Shitstorm-verdächtig. Ich habe etwas recherchiert und komme zu dem Ergebnis, dass es kleinere Versäumnisse und Ungeschicklichkeiten sowohl bei der Fashion-Bloggerin als auch natürlich bei der Firma gab, die ihr dir jetzt den Namen streitig macht. Alles sicher ohne rechtliche Bedeutung, im guten Umgang miteinander jedoch sehr wohl wesentlich.

Die Bloggerin hat sich nicht um die .de-Variante mit ihrem Blognamen gekümmert. Muss sie ja auch nicht, blöd ist nur, dass die Firma diese quasi weggeschnappt hat. Wäre die .de-Variante (am besten mit und ohne Bindestrich) für das Blog registriert worden, dann hätte diese Firma frühzeitig Kontakt aufnehmen müssen, und nicht erst nach 3 Jahren. Oder sie hätte möglicherweise die Idee mit diesem Markennamen von vornherein begraben, denn wer wählt einen Markennamen, zu dem es keine Internet-Adresse mehr gibt? Ok, als Blogger muss man nicht alle möglichen Domains und Varianten der Internet-Adresse sichern. Prüfen, ob sie schon vergeben sind, sollte man dagegen schon. Erstens weiß man dann, mit wem man sich eventuell in Namens-Konkurrenz begibt, und zweitens, falls die anderen Varianten der Internet-Adresse (z.B. mit .de, .com, .net, .info, etc.) noch frei sind, so ist es eine Überlegung wert, die wichtigen gleich zu registrieren, vor allem angesichts der geringen Monatskosten von unter einem Euro pro Domain. So vermeidet man, dass jemand anderes unter einer dieser Varianten ein anderes Angebot errichtet, sich später vielleicht noch einen Markennamen dazu eintragen lässt und einem danach den Blognamen streitig macht.

Die Firma, die die Bloggerin jetzt recht rüde angeht, kommt aus einer Branche, in der Markenentwicklung, Namensrecherche und Registrierung von Internet-Domains zu den Standardkompetenzen gehören. Sie wird mit Sicherheit das Fashion-Blog und die dazu gehörende, nicht mehr verfügbare .com-Domain schon sehr frühzeitig entdeckt haben, genauso wie sie die zum Verkauf stehende .com-Domain ohne Bindestrich (→fashionkitchen.com) schon frühzeitig entdeckt haben wird. Vermutlich hat man einem damals noch wenig präsenten Blog keine Bedeutung beigemessen, schwingt jetzt jedoch, nachdem das Fashion-Blog etabliert ist, die große Juristenkeule mit hoch angesetztem Streitwert. Natürlich erst jetzt, wo der Name Fashion Kitchen und die Bloggerin dahinter in der Fashion-Blog-Community bekannt ist und von Google sehr gut gefunden wird, – und jede andere URL aus den gleichen Wortbestandteilen schnell auf den hinteren Plätzen der Google-Liste landet. Ungeschickt, dem Blog keine Bedeutung beizumessen – oder war es Strategie? Nach dem Motto: Blogger? Sind eh Privatperson, kann man einschüchtern, ihnen schnell mit Juristen-Drohung Namen und Internet-Domain abjagen und ein gutes Google-Ranking gleich mitnehmen.

Verhalten von Geschäftsleuten

Und im Speziellen von diesem Unternehmen. Die Firma will die Fashion-Bloggerin zur Unterlassung der weiteren Namensverwendung zwingen und fordert rückwirkend eine Gebühr ein. Juristisch mag das einwandfrei sein, moralisch und im Sinne eines akzeptablen Umgangs unter Geschäftsleuten oder von Geschäftsleuten mit Privatleuten ist es – ja, unterirdisch.

Anstatt auf Kooperation und frühzeitige Einigung zu setzen, lässt man die Zeit verstreichen und treibt so den Streitwert in die Höhe. Vermutlich nicht, ohne vorher gecheckt zu haben, wie denn so die Verhältnisse der Bloggerin sind, d.h. welchen juristischen Apparat sie im Hintergrund hat oder eben nicht. Schauen Sie sich beide Angebote – das Fashion-Blog und das Angebot der betreffenden Firma – einmal an. Dort gibt es ähnliche Zielgruppen, da wäre doch Kooperation mit gegenseitiger Verlinkung und eventuell sogar Blog-Beiträgen möglich gewesen – und ist immer noch möglich. Shitstorm und Internet-Community haben ja schon so manches möglich gemacht. Und mancher, der sich rüde benimmt, hat den plötzlichen Sinneswandel und pfeift seine Juristen zurück, wenn die eigenen Kunden weg bleiben.

Gut und richtig, dass die Bloggerin sich nicht einschüchtern lässt und ihren Blog-Namen sowie die Internet-Domain nicht freigibt. Vielleicht ist der Spendenaufruf in ihrem Blog etwas früh und von Aktionismus geprägt, vielleicht aber auch aus purer Angst angesichts der Summe des Streitwertes erfolgt. Sollte sie tatsächlich verurteilt werden – was ja keineswegs sicher ist – bin ich auch dabei und spende, allerdings jetzt noch nicht im voraus.

Ross und Reiter

Nun möchten Sie sicherlich noch gerne wissen, um welche Firma es sich handelt, die der Bloggerin den Namen streitig machen möchte.

Recherchieren Sie schnell selbst. Im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), →hier. Geben Sie den Begriff fashionkitchen (ein Wort) ein und schauen Sie, ob es Treffer gibt. Zusätzlich können Sie die .de-Variante der Internet-Adresse des Fashion-Blogs aufrufen und im Impressum schauen, wer sich dahinter verbirgt.
Und dann entscheiden Sie, auf welche Hochzeiten Sie nicht mehr gehen…, erzählen das weiter, und teilen es digital.

Design & Typo · Gesellschaft

Ochse, Narrenkappe und Einhorn

Wasserzeichen_alter_Papiermacher_

Ein Teil der @netzotizen.com waren ja früher die »Kontornotizen« mit allerlei Fundstücken aus dem Büro und der grafischen Welt. Diese Sparte soll hier in den @netznotizen nicht zu kurz kommen und ich werde immer mal wieder interessante Fundstücke aus dem Kontor vorstellen. Heute geht es um die Wasserzeichen alter Papiere. In meinem Fundus befindet sich ein Sammelband der Zeitschrift »Druck und Papier«, genauer gesagt der inzwischen 60 Jahre alte, dritte Jahrgang dieser »Fachzeitschrift für die Papier erzeugende, die grafische und die Papier verarbeitende Industrie« aus dem Jahr 1954. Diese Zeitschrift war ein Publikationsorgan in der SBZ bzw. der frühen DDR. Dementsprechend geht es hier um das Einbürsten der kommunistischen Ideologie in die ostdeutsche grafische Industrie. Dazwischen finden sich immer mal ganz interessante Fachartikel – so auch ein Text zu den »Wasserzeichen alter Papiermacher«, verfasst von P. Mai aus Potsdam. Da die Erstveröffentlichung nun 60 Jahre her ist und ich keinen Rechtsnachfolger des Verlages ausfindig machen konnte, wird ein eventuell zu beachtendes Copyright kein Problem sein und ich veröffentliche den Text hier einmal vollständig zu den Abbildungen der Wasserzeichen.

 

Wasserzeichen alter Papiermacher

P. MAI, Potsdam — Erstveröffentlichung 1954

Zeichen sind Ausdrucksmittel, sind Merkmale. Sie sind so alt wie die Menschheit. Eine Jahrtausende umfassende Entwicklung schuf nicht nur Sprache, Schrift und Bild, sondern gab dem Gefundenen immer vielfältigere Methoden in seiner Anwendung, deren Summe ein Zeichen unseres zivilisatorischen und kulturellen Niveaus ist.

Diese Summe ist ein gewisser kollektiver Besitz, zu benutzen nach Vermögen, Bedürfnis oder Notwendigkeit. Daneben war und ist jedoch das Bestreben vorhanden, dem Ergebnis des eigenen Schaffens, also Gegenstand oder Ware, ein besonderes begriffliches Kennzeichen zu geben. Beispiel sind uns dafür aus alter Zeit die auch heute noch bisweilen an alten Bauernhäusern zu findenden Haus- und Hofmarken. Diese Zeichen wurden auch auf Werkzeug und Gerät übertragen und fanden weiter in Wappen und Siegel Verwendung. Ihre Herstellung erfolgte mit Messer und Meißel; ihre einfache lineare Form war schlicht und einprägsam. Der Brauch übertrug sich auf die Handwerke. So schlägt der Goldschmied seinen Stempel ins Metall, der Steinmetz meißelt sein Zeichen in den Baustein, um Anteil und Mitwirkung am Werk zu kennzeichnen.

Auch die Papiermacherei fand ihre Methode, und im 14.Jahrhundert begannen die europäischen Papiermacher die von ihnen gefertigten Papiere mit Wasserzeichen zu versehen. Bekanntlich ist das Papiermachen, die weiße Kunst, durch die Araber im 11./12. Jahrhundert nach Spanien gebracht
worden, von wo es dann weiterverbreitet wurde. Als Erfinder gelten die Chinesen. Doch weder im chinesischen noch im japanischen Papier sind Wasserzeichen, weil die orientalische Papieranfertigung nur das biegsame Schöpfsieb in Gestalt von aus Binsen geflochtenen Matten verwendet, von dem der Papierbogen nach dem Schöpfvorgang abgerollt wird. Das für das Wasserzeichen erforderliche starre Gebilde aus Draht oder dergleichen läßt sich auf dieser Siebform nicht anbringen. Dem abendländischen Papiermacher ist es jedoch möglich, weil er beim Handschöpfen mit einem starren Drahtsieb arbeitet, auf dem das Drahtgebilde zur Hervorbringung des Wasserzeichens aufgenäht ist. Wenn das Sieb aus der Bütte gehoben wird, verdrängt das aufgenähte Zeichen ein Weniges des den Bogen bildenden Stoffs. Wasserhelle Linien im getrockneten Bogen in Form des Zeichens sind das Ergebnis.

Der Ochsenkopf (1) in den verschiedensten Abwandlungen ziert als eines der ältesten Wasserzeichen die Erzeugnisse italienischer, französischer und deutscher Papiermacher. Eine
einwandfreie Erklärung für die Beliebtheit dieses Zeichens ist hisher nicht festgestellt worden. Da jedoch die Papiermacher der Zunft der Maler zugerechnet wurden und der Ochsenkopf als Symbol des Evangelisten Lucas, des Schutzheiligen der Maler und grafischen Künstler, angesehen wurde, ist die Erklärung dafür sicher darin zu finden. Sehr beliebte Kennzeichen der Erzeugnisse der alten Papiermacher waren auch Hand und Handschuh (2). Bis zum Jahre 1600 wurden rund 1000 verschiedene Formen dieses Wasserzeichens der Papiermühlen gezählt. Sie zeigen die einfache, ausgestreckte Hand oder die zum Schwur erhobene. Durch eine angesetzte gekreuzte Stulpe ist der Handschuh verdeutlicht. Über der Hand sind häufig Stern, Blume oder Krone als Ornament sichtbar.

Sonne, Mond und Sterne (3) in einfacher schlicht-schöner oder auch komplizierter Darstellung wurden gleichfalls häufig als Wasserzeichen verwendet. Sie wurden auf die Mitte des Bogens gestellt und verliehen dem Papier so besonderen Reiz. Diese Zeichen galten häufig als besondere Qualitätsmarken, so daß solches Papier sehr begehrt war.

Handwerkszeug und Arbeitsvorgang sind in den alten Signeten der Drucker oft sichtbar. Die alten Papiermacher haben dagegen niemals ihre Mühle, Bütte oder Papierpresse in ihren Wasserzeichen dargestellt. Das blieb der neueren Zeit vorbehalten, wobei man auf den ersten in eine Papiermühle Einblick gewährenden Holzschnitt aus dem 16.Jahrhundert von Jost Amman und auf ein unechtes Bildnis von Ulman Stromer, Deutschlands erstem Papiermühlengründer, von vor fast 600 Jahren als Wasserzeichen zurückgriff.

Das Stampfwerk der Papiermühlen wie bei den Kornmühlen mit Wind zu betreiben, war ehedem eigentlich nur in Holland, dem Land der Windmühlen, Üblich. Die alte deutsche Handpapiermacherei blieb fast durchweg beim Wasserrad als Antrieb für das Stampfwerk. Eine Windpapiermühle – eine Seltenheit – ist als Wasserzeichen in holländischem Büttenpapier aus dem 17. Jahrhundert zu sehen.

Die ältesten Wasserzeichen beziehen sich recht oft auf christliche Symbole, damit die Gefühlswelt des mittelalterlichen Menschen, widerspiegelnd. So ist das Kreuz in seinen einfachen Formen sowie als Kleeblatt-, Lilien- und Kugelkreuzform sehr häufig. Doch neben anderen wurde auch der Fisch (4) als Symbol Christi und der Altarsakramente sehr oft in gefälligen Abwandlungen verwendet.

Der Hang zum Übersinnlichen ist auch in der Darstellung von Fabel- und Wundertieren für die Papier- und Drucksignete sehr oft zu finden. So ist das Einhorn (5) keine Seltenheit. Obwohl es in der Natur fehlt, fehlt es nie in den Legenden, Naturgeschichten und Reisebeschreibungen des Mittelalters.

Auch der sagenhafte Greif erscheint recht häufig als Wasserzeichen im Papier. Dieses bereits im Altertum vielfach dargestellte geflügelte Fabeltier mit Löwenleib und Adlerkopf war damals das Symbol des Göttlichen, im Mittelalter aber das Symbol des Teufels. Auch im Buchdruckerwappen fehlt es nicht, wo es die friedliche Beschäftigung des Aneinanderreibens der zum Einfärben verwendeten Lederballen besorgt.

Besonders in Italien verwendeten die Papiermacher Kennmarken der Drucker als Wasserzeichen. Zumeist waren das geometrische Gebilde (6), wie Kreise mit waagerechten und schräg gekreuzten Linien und dergleichen. Als Druckersignete wurden sie am Schluß der Bücher eingedruckt. Der Kreis stellte nach mittelalterlicher Auffassung die Erdkugel dar. Das in den verschiedensten Abwandlungen darübergestellte Kreuz versinnbildlichte die beherrschende Macht der Kirche über die Erde.

Als das älteste Buchdruckersignet kann das gemeinschaftliche, besonders schöne Zeichen von Fust und Schöffer angesehen werden, das erstmals in ihrem Bibeldruck, der sogenannten 48zeiligen Bibel (1462) erscheint. Es stellt zwei an einem Ast hängende Schilde dar. Das linke ist das Hauszeichen Fusts, das rechte das Hauszeichen Schöffers.

Die Weintraube als Symbol der Fülle und des Reichtums erscheint gleichfalls oft als Wasserzeichen. Auch im Papier der Gutenbergbibel ist sie vorhanden. Da in der Gutenbergbibel noch andere Wasserzeichen vorkommen, ist damit erwiesen, daß die großen Papiermengen zum Druck der Gutenbergbibel von mehreren Papiermühlen hergestellt wurden.

Auf recht amüsante, sicher glossierende Art kamen der Eselskopf und die Narrenkappe (7) als Wasserzeichen ins Papier. Johann Spielmann, ein Deutscher, der die Papiermacherei in England im 16. Jahrhundert zu hohem Ansehen brachte, führte ein wappenartiges Wasserzeichen, was dem Heroldsamt nicht gefiel. Spielmann, darüber verärgert, versah nun sein Papier mit einem neuen Wasserzeichen, einem Eselskopf mit langen Ohren. Daraus soll dann das englische Narrenkappen-Wasserzeichen entwickelt worden sein.

Daß sich das Wasserzeichen auch auf Zeitereignisse bezog, zeigt der Luftballon als Wasserzeichen in dem Papier des Papiermachers Christian Rauch in Reißen (Pfalz) um 1790, der sicher damit seinen Berufsgenossen Montgolfier, der 1782 den Luftballon erfunden hatte, ehren wollte.

Die Nachahmung der Wasserzeichen führte oft zu Streit. Es fehlte nicht an Anregungen, ein Gesetz zu schaffen, daß jede Mühle ihr eigenes Zeichen zu führen habe und niemand es nachahmen dürfe. Doch es blieb bei Hader und Streit bis ins 18. Jahrhundert. Papier aus Basel mit dem »Baselstab«, das überall sehr begehrt war, und das holländische »Pro-Patria-Papier«, das ebenfalls einen vorzüglichen Ruf hatte, waren zu ihrer Zeit einer solchen Konkurrenz durch nachgeahmte Wasserzeichen besonders ausgesetzt.

Die wohlgelungenen Formen der alten Wassenzeichen und anderer Signete zeigen das Bestreben, dem Arbeitserzeugnis durch eine ansprechende Kennzeichnung einen besonderen Wertcharakter zu verleihen, ihm die handwerklich-persönliche Note zu geben. Uns sind diese Kennmarken Herkunfts- und Qualitätsmerkmale. Ihre reizvollen Schmuckformen – Kleeblatt und Rose, Eichenlaub und Eicheln (8) –, ihr sinnbildlicher Ausdrucksreichtum fesseln Auge und Sinn. Das Papier ist ein edler Werkstoff, das Wasserzeichen verleiht ihm auch heute noch das Gewicht besonderer Kostbarkeit.

Gesellschaft · Reisen

Friedhofsschwimmen

in der Lübecker Bucht.

Schwimmen über einem Kleinstadt-Friedhof, knappe 20 Meter unter Wasser. Deutsche Geschichte, sie holt einen ein, wtf. Ganz euphorisch hatte ich am letzten Wochenende eine meiner Lieblingsbadestellen in der Nähe von Groß Schwansee, unweit der Lübecker Bucht vorgestellt. Was ich bis dahin nicht so genau wusste: Gar nicht weit von diesen Ort ereignete sich eine der größten und traurigsten Schiffskatastrophen des zweiten Weltkriegs, die Versenkung des mit KZ-Häftlingen vollbesetzten Ex-Luxusdampfers →Cap Arcona durch britisches Bombardement am 3. Mai 1945.

Nimmt man die ebenfalls in der Lübecker Bucht versenkten kleineren Schiffe →Thielbek und →Athen hinzu, so sind ca. 7000 Menschen auf diesen Schiffen gewesen. 6400 von ihnen kamen um. Etwa die Hälfte der Toten wurde in den Sommermonaten 1945 und auch noch danach an Land gespült. Sie sind in Massengräbern beigesetzt. So auch in der Nähe der Badestelle, die mir so gefällt – oder gefiel? 407 Leichen trieb es in Richtung Groß Schwansee. Sie sind hier in einem Massengrab beigesetzt. Es gibt eine →Gedenkstätte.

Von ca. 3000 Opfern dieser Katastrophe fehlt jedoch jede Spur. Sie haben ihr Grab in der Ostsee gefunden. 3000 Menschen, eine Kleinstadt. Und viele davon vermutlich in knapp 20 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund rund um die bekannte Stelle, an der die Cap Arcona noch bis 1950 aus dem Wasser ragte. Versenkt wurde das 25 m breite Schiff nämlich nicht wirklich. Es lag auf der Seite auf dem Grund und ein Teil schaute aus dem Wasser. 1950 wurde das Wrack dann abgebaut und man fand zahlreiche Leichen darin. Was auch immer mit denen passiert ist, die Recherche gibt wenig her. Ich denke, 1950 war man froh, dass Wrack dort los zu sein, der Rest liegt auf dem Meeresgrund. Tauchen wird wohl an dieser Position nicht gerne gesehen bzw. erfordert Mut. Es gibt zumindest Andeutungen dazu im Internet.

Die westdeutschen Urlaubsorte der Lübecker Bucht, Sierksdorf, Scharbeutz und Timmendorfer Strand, präsentieren sich heute gerne als Wohlfühl-, Entspannungs- und Familienparadies und scheinen alle Konfrontationsflächen, die Touristen mit der Schiffskatastrophe haben könnten, strikt zu vermeiden bzw. auf singuläre Orte zu fokussieren. Freilich, der Badegast kann ja zum →Ehrenfriedhof Cap Arkona nach Neustadt fahren, wenn er politisch interessiert ist. Dass er als guter Schwimmer locker das Zentrum des Ostseefriedhofs erreicht, sagt man ihm besser nicht. Fröhliches Friedhofs-Schwimmen.

Etwa 15 km sind es vom Strand von Groß Schwansee bis zur Position der Schiffskatastrophe. 15 km sind keine große Entfernung – und 3000 Menschen sind eine Kleinstadt. Hier, irgendwo auf dem Meeresgrund, zumindest ihre Reste. Irgendwie gruselt es mich, im Sommer dort wieder zu schwimmen. Und noch vielmehr gruselt es mich, wenn ich die Selbstdarstellungen der schleswig-holsteinischen Ostseeorte mit ihren bunten Familienparadies-Bildern sehe. In Nebensätzen heißt es in Internetquellen, dort seien bis in die sechziger oder oder achtziger Jahre noch vereinzelt menschliche Knochenteile an den Strand gespült worden. Das mag vorbei sein, da Natur und Meeresgetier ihren Dienst zuverlässig tun. Trotzdem sehr merkwürdig, Massenbaden neben dem Wasserfriedhof. Kann man tun – muss ich nicht. Ich zelte auch nicht auf einem Friedhof.

Im letzen Sommer habe ich am Strand von Groß Schwansee am Sonntagnachmittag schön und erholsam geschwommen. Links die Lübecker Bucht, rechts der Blick auf die offene Ostsee. Warmes, seichtes Wasser, Fähren kreuzen. Meer-Schwimmen. Anders und eindrucksvoller als Wannsee oder Havel. Weit sind wir dafür gefahren. Ich wußte, dass in der Ostsee so einiges an Müll liegt. Kriegsgerärt, Munition, Giftgas, Hinterlassenschaften von Seeschiffen und Fähren. Dinge, die wir heute Sondermüll nennen. So what, egal, dachte ich mir, das richten Natur und Meerestiere schon, und es beeinträchtigt weder Erholung noch Ostseefreuden. Natürlich, die Schiffskatastropen des Weltkrieges kannte ich. Gustloff, Goya, Cap Arcona, tausende Tote, irgendwo in der Ostsee. Dass die Cap-Arcona-Katastrophe sich jedoch direkt in der Lübecker Bucht ereignete, so nah, dass man locker hinschwimmen kann, das war mir nicht präsent. Jetzt weiß ich es, durch Zufall, durch einen Wegweiser, der neugierig machte.
Und ich finde, die Urlauber auf der schleswig-holsteinischen Seite der Lübecker Bucht sollten es auch wissen. Sie sind ganz nah dran, sie können hinschwimmen zum Ort der Schiffskatastrophe.

Geschichte, sie holt einen ein. Nicht nur die individuelle, auch die kollektive Geschichte. Jetzt hat sie mich eingeholt. Mir ist die Lust am Schwimmen hier in der Nähe der Lübecker Bucht etwas vergangen. Ich muss mir für den Sommer eine andere Badestelle suchen. Nur, wo? An der Nordsee, viel zu weit weg? Ratlos bin ich gerade.

Sagen Sie mal etwas dazu. Geben Sie mir einen Tipp.