Der perfekte Bleistift

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Schön, aber nicht perfekt.

Dass ich ihn gerne hätte, hatte ich bereits geschrieben, als ich von den grünen Faber-Castell-Bleistiften berichtete, die Herr Schneck mir geschenkt hat. Nun besitze ich ihn, den perfekten Bleistiftverlängerer mit integriertem Spitzer. Nicht in Sterling-Silber, wie es meinem Geschmack am nächsten kommt, sondern in der günstigeren platinierten Ausführung.

Im Internet habe ich den Bleistift-Aufsatz recht günstig erstanden, quasi als kleines Adventskalender-Geschenk für die vorweihnachtliche Stimmungsaufhellung. Ein ganz billiger Spaß war es trotzdem nicht. Ich habe den Preis für zwei gute Essen dafür gegeben, und so Sie den perfekten Bleistift-Verlängerer beim Schreibwarenhändler Ihres Vertrauens kaufen, zahlen Sie deutlich mehr. Für Ausführung in Sterling-Silber ist dann noch einmal ein guter grüner Schein fällig.

Wie ist dieser Bleistift-Aufsatz aus Metall mit integriertem Spitzer nun? Schön, zumindest schön anzuschauen. Die klassische Form erfreut, der federnde Clip ebenso. Wie fast alle Schreibgeräte aus der Graf-von-Faber-Castell-Serie macht sich der perfekte Bleistift in der Hemdentasche und versprüht etwas Understatement. Mit einem Holzbleistift schreibe und skizziere ich gern und verwende seit langem die einfachen Bleistiftverlängerer in der grünen Kunststoffausführung. Sie haben auch einen integrierten Spitzer. Mehrere dieser Budget-Artikel habe ich in Gebrauch, und bei ihnen ist es mir reichlich egal, wenn sie sich abnutzen oder verloren gehen. Diese Aufsätze bzw. Verlängerungen schützen die Spitze und sorgen gerade bei kurzen Bleistiften für eine angenehmere Haptik. Wenn sie etwas besser spitzen als ein Cuttermesser, dann haben sie ihren Zweck erfüllt.

In der Preisklasse der Edel-Variante erwartet man jedoch perfekte Funktionalität, mindestens wenn ein Produkt vom Hersteller selbst als perfekt bezeichnet wird. Die Schönheit der klassischen Form ist sicher gegeben, der Spitzer dagegen enttäuscht mich etwas. Er spitzt kaum besser als die Spitzer in der beschriebenen grünen Kunststoffausführung. Schade. Ok, das Messer kann man mit einem Mini Schraubendreher auswechseln, sofern es denn gelingt, ein neues zu bestellen. Das Spitz-Bild des angespitzten Bleistiftes ist hingegen bei vielen Bleistiftspitzern unter zehn Euro besser (was Konus, Span und Form der Spitze betrifft).

Ein weiteres Manko hat der Edel-Bleistiftverlängerer zudem. Richtig perfekt passen nämlich nur die kannelierten Holzbleistifte, die mitgeliefert werden, und die man freilich auch nachkaufen kann. Diese sind etwas dicker als die sechseckigen Standard-Bleistifte, z.B. aus der 9000er-Serie von Faber-Castell oder von anderen Marken wie Derwent oder Staedtler. Kurz, ich mag die Kannelierten nicht besonders. Ich besitze viele Marken-Bleistifte, zum Teil aus alten Zeiten, die ich gerne in den kommenden Jahrzehnten aufbrauchen möchte. Sie passen alle in den perfekten Bleistift-Aufsatz hinein, der auch stabil darauf sitzt. Leider passen sie eben nur hinein, nicht jedoch perfekt. Die Öffnung ist für die sechseckigen etwas zu groß. Darüber das wurde schon in einem Forum diskutiert. Etwas besser passen runde Bleistifte hinein. Zur Zeit brauche ich alte, runde Stenobleistifte auf und damit macht der Bleistift-Aufsatz eine ganz gute Figur. Trotzdem frage ich mich, was sich Designer und Produktentwickler dabei gedacht haben, diese Bleistiftverlängerung so zu konstruieren, dass sie nur mit den mitgelieferten Bleistiften perfekt funktioniert.

Soll das Stück mehr als ein Besserverdienenden-Geschenk sein, das ein paarmal verwendet wird und dann in der Ecke oder im Internet-Auktionshaus landet, dann müssten doch diejenigen im Mittelpunkt stehen, die tatsächlich Holzbleistifte verwenden. Viele Künstler, Architekten, Grafiker und Autoren sind das. Zu diesem Kreis der Holzbleistiftnutzer gehöre ich auch. Wir haben unsere favorisierten Bleistifte, mit denen wir besonders gut schreiben und skizzieren können. Manchmal Budget, manchmal Marke, manchmal exotische Härtegrade, die es nur von bestimmten Herstellern gibt. Das werden ganz selten diese kannelierten sein. Schade, dass nimmt dem Bleistift-Aufsatz seine perfekte Alltagstauglichkeit. Sicher funktioniert das Stück mit fast allen Bleistiften, nur sitzen diese eben nicht perfekt darin – wie man es preisklassenadäquat erwarten könnte.

Die grünen Bleistifte

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Dinge, mit denen wir aufwuchsen…

Jeder kennt sie, die grünen Bleistifte der 9000er Serie von Faber Castell. Diese Stifte gab es schon seit Anfang letzten Jahrhunderts und damit zu meiner Kinderzeit schon viele Jahrzehnte. Heute gibt es sie immer noch. Damals™ hatten sie eine etwas hellere Farbe: »jägergrün« oder »Napier green«. Seit den 80ern sind sie im edel anmutenden dunkelgrün zu haben, man könnte es »British Racing Green« oder nach der Schokoladen-Verpackung »After-Eight Grün« nennen.

So manches westdeutsche Schulkind hatte zumindest einige dieser jägergrünen Stifte in Schule und Kunstunterricht. Vertraute Dinge der Kindheit, die es heute noch immer gibt, wenn auch heute etwas anders und mit der Wortmarke Faber-Castell in Kapitälchen statt wie früher A.W. Faber in Versalien. Die alten Jägergrünen liegen freilich noch in mancher westdeutschen Schublade, denn ein normal harter Bleistift verbraucht sich oft über Jahrzehnte nicht, wenn man ihn nicht ständig benutzt oder ihn zu Tode spitzt.

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Als Kind besaß sich eine ganze Reihe dieser Bleistifte in mehreren Härtegraden. Ich war schon immer etwas »pen and paper addicted« und mein Vater brachte dieses und jenes aus dem Büro mit. Ein paar Mal bekam ich auch eine leere Blechschachtel, in der es damals™ diese besseren Bleistifte in Papier eingeschlagen zu kaufen gab. Die Schachteln lagen wohl schon gute 10 Jahre im Büro, bevor sie endlich leer waren und ich sie bekam. Hervorragend eigneten sich diese Blechschachteln als kleines Stiftetui. Einige davon habe ich später im Studium verschlissen. Man konnte darin sehr gut einen Bleistift, einen Kugelschreiber, Spitzer, Radiergummi und noch zwei Farbstifte aufbewahren. Mindestens eines dieser »Stiftetuis« gibt es noch in meinem Fundus. Das letzte habe ich wohl vor guten 25 Jahren verwendet und hatte es innen mit dem gelben Filzvlies eines Spültuches ausgeschlagen, da mir die Stifte in der Blechschachtel zu sehr klapperten. Das funktionierte prima und sah dazu ganz gut aus.

Nun, warum schreibe ich das alles und was hat es mit der abgebildeten, voll gefüllten Bleistiftschachtel zu tun? Herr Schneck, dessen Blog Miz Kitty letztens umgezogen hat, hat mir diese Schachtel geschickt. Sehr gefreut habe ich mich darüber, hängen doch an diesen jägergrünen Stiften Kindheitserinnerungen. Die gefüllte Schachtel stammt aus dem Stuttgarter Architekturbüro des Vaters und Großvaters von Herrn Schneck. Wissen Sie, was ich jetzt tue? Ich spitze sie nach und nach mit dem hammerschlaggrünen Kurbelanspitzer, ebenfalls von Faber-Castell, Baujahr 1970 und schreibe oder zeichne damit. Echte jägergrüne Analog-Apps. Herzerfreu. Danke, Herr Schneck. Eigentlich haben diese Bleistifte einen Spitzer aus Sterlingsilber mit Clip verdient. Den bestelle ich jetzt. Erklären Sie mich für verrückt ob des Preises. Es ist ein Liebhaberstück und man kann dort nicht nur die mitgelieferten holzfarbenen einstecken.

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…und viel mehr dahinter:

Nicht nur westdeutsche Kindheitserinnerungen bringt die Bleistiftschachtel von Herrn Schneck hervor. Es verbirgt sich jede Menge deutsche Wirtschaftsgeschichte darin.

Da ist zuerst einmal die Marke Faber-Castell. Faber, die Bleistift-Dynastie aus dem fränkischen Ort Stein bei Nürnberg. Seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind Bleistiftmacher dort ansässig, allen voran die Fabers, aus deren Familie sich neben »A.W. Faber-Castell« die Unternehmen »Johann Faber« und, heute noch sehr bekannt, »Eberhard Faber« entwickelten. Nürnberg und Bleistifte, das scheint zusammen zu passen. Auch Staedler kommt aus Nürnberg, Sie wissen schon: die blauen Bleistifte mit dem schwarzen Kopf.

Weiter steckt Wirtschaftsgeschichte vergangener Zeiten in den jägergrünen Bleistiften: Von den Anfängen der Faber’schen Bleistiftproduktion im langsam beginnenden industriellen Zeitalter über den erfolgreichen Lothar Faber, einen Macher, der die Marke »A.W. Faber«, mit den Initialen seines Großvaters, prägte und bekannt machte, eine sibirische Graphitmine kaufte und vom bayrischen König Maximilian II geadelt wurde, bis hin zu seiner Enkelin Ottilie. Diese heiratete 1898 den Grafen Alexander zu Castell Rüdenhausen. Er führte die grüne Farbe für die Bleistifte ein, die Farbe seines Regiments. Markenbildung Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Verbindung zwischen neuem Adel und altem Adelsgeschlecht führte zum Namen Faber-Castell, war persönlich jedoch nicht erfolgreich. Ottilie trennte sich nach 20 Ehejahren von ihrem Mann und ließ sich scheiden – äußerst unüblich für diese Zeit. Ausführliches über die Zeit, die Gesellschaft und die Personen können Sie in der Romanbiografie von Asta Scheib über Ottilie von Faber lesen.

Und nicht zuletzt gibt es da den Graf Anton Wolfgang von Faber-Castell, Jahrgang 1941, der dem Unternehmen seit den achtziger Jahren vorsteht und mit Geschick mit der Marke »Graf von Faber-Castell« ein Marktsegment besetzt hat, dass Liebhaber schöner Dinge anspricht, die auch etwas teurer sein dürfen.

Wer Bleistifte nicht wie Türklinken benutzt (sie also täglich gebraucht, aber selten den Unterschied wahrnimmt) und sich für Geschichte und Gesellschaft interessiert, für den lohnt es sich, einmal im Netz über die Faber’sche Bleistiftdynastie zu lesen.