Fundstück.
Mein Kellerkind. Eines der guten Dinge, und wahrscheinlich so gefährlich und verboten, dass man es nicht einmal bei Manufaktum kaufen kann.
Einschraubfassung mit Steckdosen, so bezeichnet man den Gegenstand wohl korrekt. Gemeinhin ist er auch unter dem Begriff Kellerfasung bekannt. Glühlampe rausgeschraubt, Kellerfassung rein und die Glühlampe dort wieder hineingeschraubt. Und schon hat man zwei Steckdosen, ganz ohne feste Elektroinstallation.
So manches Elektrogerät und so manche Bohrmaschine haben diese Kellerkinder in den letzten Jahrzehnten schon zuverlässig mit Elektrizität versorgt, in Keller, Boden, Abstellraum. Selbst in →Elektro-Foren spricht man über ihre Nützlichkeit.
Dabei wird der gute westdeutsche Elektromeister die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn Sie in sein Ladengeschäft kommen und nach so einer Einschraubfassung verlangen. Lebensgefährlich, wird er sagen, und eine Vielzahl von Argumenten finden, warum dem so sei. Allererstens natürlich, weil diesen Steckdosen der Schutzkontakt fehlt, zweitens, weil die Lampenfassung, in der dann Ihre Kellerelektrifizierung eingeschraubt würde, durch das ach so hohe Gewicht von Stecker und Kabel mechanisch beschädigt werden könnte und Sie womöglich unbedacht die ganze Lampe aus der Wand reißen könnten, mit schlimmem Kurzschluss. Drittens könnten die Stecker und Kabel, die Sie in die Steckdosen der Einschraubfassung stecken, durch die Hitze der Glühlampe beschädigt werden, wenn Sie ihren 6-Quadratmeter-Keller mit der 1000-Watt-Lampe ausleuchten. Das Kabel könnte schmelzen, ein böser Kurzschluss entstehen, im schlimmsten Fall auch zum Schutzleiter, Sie hätten plötzlich die volle 230-Volt-Netzspannung am Metallgehäuse ihres Elektrogerätes und würden das Phänomen Stromschlag erlebnisorientiert kennenlernen. Viertens wird der korrekte westdeutsche Elektromeister sagen, seien weder Lampenfassung noch Schalter (der sich ja im Lampenstromkreis befindet) auf die derart hohen Ströme ausgelegt, die Ihre angestöpselten Elektrogeräte verursachen. Das könnte übel heiß werden an Kontaktstellen in Schalter und Lampenfassung, wenn Sie Ihren 2-kW-Heizofen dort zur winterlichen Kellerbewärmung anstöpseln, der Schalter nachher kaputt sein oder schlimmer, anfangen zu brennen. Und da Ihr Schalter ja vermutlich direkt in die Holzvertäfelung des Kellers eingebaut ist und sowieso alles in Ihrem Keller hochentflammbar ist, wird ein Hausbrand möglich werden.
Fünftens – denn fünf Argumente gegen das Kellerkind braucht man schon – möchte man Ihnen aus monetären Gründen eine gute, deutsche Schutzkontaktsteckdose gegen ebenso gutes Geld installieren. Feuchtraum-Ausführung, mit Klappdeckel, versteht sich. DIN, VDE, ISO und sonstwie geprüft.
Hören Sie also auf Ihren Elektromeister, und Sie haben ein Lebensrisiko weniger. Vermutlich werden Sie eher am multiresistenken Krankenhauskeim sterben, als einen Elektroschock bekommen. Dafür haben Sie in Keller, Boden, und Abstellraum dann eben keine Steckdose.
Nun, was Elektro angeht, bin ich etwas risikofreudiger. Respekt vor Stromschlägen und Leitungsbränden sollte man in jedem Fall haben. Es hilft jedoch, ein paar Grundregeln zu beachten. Dann wird das auch, mit dem Kellerkind. Elektrogeräte mit schmalem, zweipoligem Stecker stellen gar kein Problem dar. Sie sind schutzisoliert und benötigen keine Steckdose mit Schutzkontakt. Auch viele Bohrmaschinen haben heute oft nur einen Stecker mit zwei Kontakten, wenngleich der oft etwas größer und nicht als Flachstecker ausgeführt ist.
Geräte mit dreipoligem Schutzkontaktstecker – für dieses urdeutsche Wort gibt es auch die Abkürzung Schuko-Stecker – kann man sicher auch in die Einschraubfassung einstecken. Das hat jedoch zur Konsequenz, dass man im ungünstigsten Fall bei einem Gerätedefekt (z.B. ein durchgescheuertes Kabel) die 230-V-Netzspannung am Metallgehäuse hat. Nicht gut, wenn man das gerade anfasst. Hätte man eine richtig angeschlossene Steckdose mit Schutzkontakt, würde die Sicherung auslösen. Das passiert natürlich nicht, wenn das Gerät in die einfache zweipolige Steckdose der Einschraubfassung eingesteckt ist.
Andererseits, wenn man sich nicht mit uralten oder halbkaputten Geräten oder mit Flohmarktfunden umgibt und neue Geräte nicht überbeansprucht: Wie wahrscheinlich ist so ein Gerätedefekt, der zur Folge hat, das Gehäuse unter Netzspannung steht? Nicht sehr wahrscheinlich, ziemlich unwahrscheinlich sogar. Viele Elektrogeräte haben heute ein Kunststoffgehäuse, mindestens dort, wo man anfasst. Und wenn man an den Geräten selbst arbeitet, zieht man doch sowieso vorher den Stecker. Schon, damit man versehentlich nichts einschaltet und sich verletzt.
Zum guten Menschenverstand gehört auch, dass man nicht ein größeres Steckernetzteil oder den robusten Stecker einer Kabelverlängerung in eine Einschraubfassung zwei Meter über dem Boden steckt und das Kabel einfach runterhängen lässt, vielleicht noch mit schön in der Luft baumelnder Dreifachsteckdose. Das ist in der Tat zuviel mechanische Last für das Kellerkind.
Beachtet man diese Grundregeln, so ist das Kellerkind ein sehr nützliches Helferlein. Das Einstecken eines Flachsteckers mit 4 mm dicken Stiften sollte kein Problem sein. Je nach Modell braucht man bei einem Schuko-Stecker mit seinen etwas dickeren, 5 mm dicken Stiften etwas sanfte Gewalt oder andere Tricks (Adapterstecker aus dem Reisebedarf). Kein wirkliches Problem. Elektrifizierung gelungen.
Jetzt sind Sie neugierig, wo Sie so eine Kellerfassung her bekommen? Das Internet hilft weiter. Googlen Sie nach Einschraubfassung mit Steckdosen. Kaufen Sie jedoch bitte keine Porzellan-Ausführungen aus den 20er Jahren, sondern nur neue oder gut erhaltene Bakkelit- oder Kunststoff-Ausführungen.
Der obligatorische Haftungsausschluss-Hinweis:
Natürlich übernehme ich keine Haftung, wenn Sie den beschriebenen Gegenstand verwenden und damit zu Schaden kommen. Auch nicht, wenn Ihre Mitmieter jetzt den Treppenhaus- und Kellerstrom abzocken, weil dieser Text die auf einen Gedanken gebracht hat.
Warum nicht die Porzellanfassungen aus den 20ern? Was ist an den Bakelitfassungen anders oder besser?
Das ist ganz einfach zu beantworten: Es gibt Porzellan-Ausführungen, bei denen die Buchsen, in die die Stifte des Steckers eingeführt werden, oben etwas aus dem Porzellan herausragen. Zumindest so, dass man, wenn man unachtsam ist, diese Metallteile berühren kann. Mit etwas Pech bekommt man dann evtl. einen Stromschlag. Vor neunzig oder hundert Jahren hat man das in Kauf genommen. Allgemein war das Alltagsleben gefährlicher und man hatte Respekt vor der Elektrizität. Bei den Bakkelit-Ausführeungen sind zumindest die Steckbuchsen so versenkt, dass man keine metallischen Teile berühren kann. Außerdem haben die antiquarischen Porzellanmodelle vom Flohmarkt ihr elektrisches Leben oft hinter sich und sind so »ausgenudelt«, dass kein Stecker mehr richtig propper darin steckt. Wackelkontakte und ein verschmorter Stecker des angeschlossenen Gerätes können schon mal die Folge sein. Das muss ja nicht sein. Neue oder wenig benutzte »Bakkelit-Kellkinder« tun da deutlich bessere Dienste.