Blick in den Westen

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Nach Tempelhof.

Heute möchte ich Ihnen noch einmal den Blick aus meiner Wohnung am Zionskirchplatz zeigen. Dieses mal mit Teleobjektiv aufgenommen. Gewiss, es gibt schlechtere Ausblicke in Berlin. Eine Skyline sieht man hier, in der schon einige Berliner Sehenswürdigkeiten versammelt sind. Allen voran der Fernsehturm am Alexanderplatz, dazu das Rote Rathaus, den Berliner Dom, und so einiges anderes noch. Eines fasziniert mich jedoch besonders. Ich schrieb schon einmal darüber. Es ist es ist die Funkstation am alten Flughafen Tempelhof. Dieses weiße, kugelförmige Gebilde, das auf vier Stelzen steht und weithin sichtbar ist.

Schaue ich an der Kuppel des Berliner Doms vorbei, kann ich sie sehen, diese inzwischen nutzlos gewordene Funkstation, sogar mit bloßem Auge und ganz ohne Fernglas oder Teleobjektiv. Für mich ist diese kugelförmige Funkstation etwas Besonderes. Man schaut hier von Mitte, vom Zionskirchplatz, nach Tempelhof, vom Osten in den Westen. Früher, lange bevor ich nach Berlin zog, als diese Stadt noch einzigartig geteilt war, muss es hier aus diesem Fenster so eine Art Blick in den freien Westen gegeben haben. Freilich, auch im Jahr 25 nach der deutsch-deutschen Vereinigung ist dieser Blick noch etwas ganz besonderes. Eben, weil mit viel Historie und Emotionalität verbunden.

Solange ich hier wohne, seit 2005, und schon weit länger sind Baukräne ein typischer Teil der Berliner Skyline. Gebaut wurde immer, seit der Wende erst recht. Und wenn es im letzten Jahr der Komplex mit Edelwohnungen in der Zehdenicker Straße war, der einen riesigen und weithin sichtbaren Baukran beanspruchte. Seit geraumer Zeit sind sie nach Mitte gezogen, die Baukräne, und ich habe die ernsthafte Befürchtung, dass mir dieser historische Blick auf die Funkstation Tempelhof bald zugebaut wird.

Durch etwas, was ich einmal selbst befürwortet habe, den Neubau des Berliner Stadtschlosses. Bitte, soll ich die Funkstation mit dem Stadtschloss tauschen?

Nicht wirklich. Oder, es bleibt zu hoffen, dass das ganze nicht so hoch gebaut wird und mir doch noch ein Blick seitlich auf die Funkstation bleibt. Ein bisschen wünsche ich mir manchmal, dass diese Baustelle dort ein kleines BER wird. Irgendetwas halbhohes, Steckengebliebenes, was mir den Blick darüber ermöglicht. Nach Tempelhof, dorthin, wo früher die Flugzeuge starteten und die Menschen in den Westen ausflogen, in die alte Bundesrepublik. Nicht immer in eine bessere Welt, aber eine mit mehr Freiheiten. Ok, Sie werden sagen, das ist doch alles Schnee von gestern und ich soll doch ins DDR-Museum oder sonstwo hingehen, hätte doch längst durch Heirat meine eigene deutsch-deutsche Vereinigung vollzogen und müsste nicht mehr auf dieses Funkstation-Relikt schauen.

Doch, ich will ihn behalten und weiter haben, diesen historischen Blick in den freien Westen.

2 Gedanken zu „Blick in den Westen“

  1. Das verstehe ich vollkommen, gerade wenn es sich um einen nicht nur liebgewonnenen, sondern auch historischen Panoramablick von der Barnimkante aus handelt.

    Ich habe so was ja auch in weniger historisch, aber lästig am Horizont überm Park: Der grässliche Mercedesstern nahe der O2-World. Gerade wird er gnädig von den belaubten Bäumen verdeckt.

    Aber links daneben wächst das umstrittene Hochhaus auf dem ehemaligen Mauerstreifen (das mit dem Zugang durch die Mauergalerie) deutlich über die Traufhöhe hinaus. Es ist sozusagen der historische, damals unbebaubare Blick über die Exmauerlinie hinweg, der mir jetzt zugestellt wird vom neuen Quartier am Ostbahnhof.

  2. Ich denke hier ja immer mal wieder, was die Leute wohl so 1970 gedacht haben, die damals hier durch mein Fenster schauten. Einerseits der Blick auf die gigantische Baustelle des TV-Towers, andererseits in den Westen. Wer weiß, vielleicht waren sie alle auf Linie gebürstet und das hat sie nicht die Bohne interessiert. Bei Ihnen in Kreuzberg ist es ja umgekehrt. Was haben die Menschen dort gedacht, die in den Osten blickten?

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