Der letzte seiner Art

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Sicherheitsschlüssel Ost

In jedem Haushalt gibt es einige kleine Dinge, die einem irgendwie »zugelaufen« sind und die man gerne erhalten möchte, frisst die Erhaltung doch kein Brot und stehen diese Dinge doch symbolisch für vergangene Zeiten und manchmal auch für Teile unserer Geschichte. Bei mir gehört dieser für moderne Verhältnisse etwas skurril anmutende Sicherheitsschlüssel dazu, der ein – inzwischen nur zusätzlich genutztes – Schloss an unserer Wohnungstür schließt.

Mit Schlössern kenne ich mich ganz gut aus, ein Satz guter Schlüsselfeilen ziert meine Werkzeugkiste und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, ich habe schon einige Rohlinge in Handarbeit zu wohlschießenden Schlüsseln gemacht. Das war jedoch früher™, so vor 27 oder 28 Jahren.

Umso überraschter war ich, als ich vor acht Jahren die Wohnung am Berliner Zionskirchplatz übernahm und neben einem anderen den hier abgebildeten Schlüssel für die Wohnungstür erhielt. Was war denn das? Ein Schlüssel. Simpel, platt, so ganz ohne Profil, nur seitlich ein paar Zacken. Im Prinzip aus 2 mm dickem Stahlblech hergestellt. Nicht wirklich sicher und aus jedem Stück Blech oder Bandstahl leicht nachzufeilen. Ostig eben, ein DDR-Relikt. Profillos wie er ist, kann er auch um 180 Grad verdreht reingesteckt werden und schließt dann natürlich nicht. Also wieder rausziehen, drehen, schließen, alles fein. Für Kenner ist ein winziger Punkt über dem Schlitz. Damit wird klar ist, wie rum der Schlüssel eingesteckt werden muss. Und da eine komplette Schließung nur einer halben Umdrehung entspricht, wechselt eben dieser Punkt zwischen unten und oben – je nachdem, ob aufgeschlossen oder abgeschlossen ist. Weder schön noch sicher, aber dieser Punkt hilft mir eben ungemein, schnell zu erkennen, ob abgeschlossen ist oder nicht, d.h. ob jemand da ist oder nicht, wenn ich nach Hause komme. Für die Sicherheit gibt’s ja noch ein anderes Schloss mit moderner Technik.

Der mittlere abgebildete Schlüssel ist einer der beiden, die ich 2005 bekam, Blechstück-schlicht und ohne jegliche Aufschrift. Einen dritten besorgte ich, als ich zufällig in einem Schlüssel-Geschäft an der Torstraße einen passenden Rohling hängen sah. Wohlbemerkt ein original →Silca-Rohling, made in Italy. Wer weiß, vielleicht nach der Wende für den Ost-Export hergestellt. Ich freute mich damals jedenfalls, diesen Schlüssel noch zu bekommen. Jetzt gab es drei davon, zwei für die Bewohner und einen Gastschlüssel.

Im Sommer gaben wir den dritten in vertrauliche Hände, des Blumengießens während der Urlaubszeit wegen. Dort sollte er auch bleiben. Blöd nur, den Gastschlüssel jetzt bei Bedarf abholen zu müssen. Vielleicht gibt es ja irgendwo im tiefen Osten Berlins noch ein Schlüsselgeschäft, wo man diesen Schlüssel noch bekommen kann? Denn das Geschäft in der Torstraße gibt es schon lange nicht mehr. Also auf die Merkliste, Ausschau danach halten.

Am letzten Freitag waren wir im Oderkaff unterwegs und holten uns die komplette →Frankfurt-Inspiration. Längst hatte ich den Schlüssel vergessen. Wir schlenderten durch eine gesichtslose Passage und fragten bei einem Schlüsseldienst nach dem Exoten-Schlüssel. Na klar, hatte er und betonte mit Frankfurt-Oder’scher Freundlichkeit, dass es der letzte sei und er aber 12,80 Euro koste. Vermutlich ein Ausländerpreis oder besser gesagt, der Preis für die Berliner, als die wir uns vorschnell geoutet hatten. Egal, gekauft. Kein Silca-Rohling, sondern wohl original Ost-Ware, ohne alles, ohne Aufschrift, gestanztes Metall. Pure. Darin schnell die Zacken meines Originals kopiert. Passt.

Auf dem Foto habe ich die Zacken abgedeckt, denn die letzten Details meines Schlüssels möchte ich Ihnen doch vorenthalten. Links der Silca-Markenschlüssel, in der Mitte das Original, rechts die Frankfurter Kopie. Das Schloss haben wir übrigens als zweite Sicherung auch aus dem Grund in Betrieb, weil es für heutige Verhältnisse so exotisch ist, dass man es mangels genauer Kenntnis nicht in wenigen Minuten picken kann und es dafür garantiert keine Anleitung im Internet gibt.