Sprayerwand

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Es gibt in Berlin Orte, an die man erst durch Zufall kommt, oft erst nach vielen Jahren und die nicht einmal Menschen kennen, die dort in der Nähe wohnen. So ein Ort ist der Weg entlang am S-Bahn-Damm, hinter den Häusern der Pankower Dolomitenstraße her. Begrenzt wird er durch eine lange Mauer, die hintere Seite einer langen Garagenzeile. Sprayer können sich hier austoben. Wie man sieht, grüßt dort das neue Jahr 2015 bereits in typischem Graffiti-Stil.

Kann man da direkt am Bahndamm entlang gehen, an der Sprayer-Wand?, fragten wir uns, als wir letztens die Dolomitenstraße entlang liefen. Gestern haben wir es probiert. Man kann entlang der S-Bahn laufen, wobei der zum Teil etwas zugewachsene Weg zwischen Bahndamm und Sprayerwand in Richtung Norden deutlich schmaler wird. Vieles erinnert hier an die geheimen Verstecke, in denen sich Jugendliche mit ihrer Clique treffen, zum Rauchen, Kiffen, Sprayen.

Eigentlich unspektakulär, irgendwo in Berlin. Der Ort hat jedoch eine besondere Bedeutung. Hier war die Grenze der geteilten Hauptstadt. Niemals hätten wir vor 30 Jahren hier spazieren können. Gut, dass das vorbei ist und diese Teilung Geschichte ist. Gestern liefen wir vom Wedding aus über die Grünthaler Straße Richtung Dolomitenstraße bzw. Esplanade. Sofort hinter der S-Bahn-Unterführung scharf links, den zugewachsenen Weg am Bahndamm entlang. Falls Sie ein geheimes Versteck suchen, das wiederum nicht so abgeschieden ist, dass man dort nicht doch entdeckt oder auf andere treffen würde und zudem noch in dem Alter für konspirative Cliquentreffen sind: Hier ist sicher ein guter Ort dafür.

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Badstraße, Wedding

Im Moment benutze ich häufiger das Automobil, wenn ich von meiner Wohnung am Zionskirchplatz in den Berliner Norden Richtung Reinickendorf fahre. Nicht, weil es mit dem Kfz wirklich schneller und bequemer geht, sondern weil sich die Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel im Moment für die Fahrten nicht lohnt und Einzelfahrscheine doch etwas teuer sind. Auf diesem Weg fahre ich durch den Wedding, den ärmeren und multikulturelleren Teil des vor Jahren zusammengelegten Bezirks Berlin-Mitte. Kurz nach Überqueren der Bernauer Straße in Richtung Norden fängt es dann an mit der erhöhten Aggressivität auf der Straße. Das steigert sich ziemlich auf dem Stück bis zum Bahnhof Gesundbrunnen und hier schließt sich dann eine regelrechte Aggro-Meile an, die Badstraße.

Toll, Multikulti, Pluralismus pur, so sagen Sie vielleicht. Ich nenne es unerträgliches männliches Posiergehabe, meist mit Migrations- oder Unterschichten-Hintergrund. Aggressiv finde ich es, dieses bei näherer Betrachtung doch bemitleidenswerte Agieren nach dem Motto: Wer hat die meisten PS? Wer beschleunigt am schnellsten? Wer posiert am besten mit Gaspedal und Bremse? Oder als Fußgänger, indem einfach mutig die Straße zwischen den fahrenden Autos überquert wird. Man könnte die Reihe ergänzen mit: Wer hat den Längsten?

Oft ist dieses aggressive Verhalten gepaart mit dem gedankenlosen Durchsetzen von Tatsachen, meist gegen jede rational etablierte Ordnung. Da wird auf der stark befahrenen Badstraße in zweiter Reihe geparkt, 100m weiter hält der Nächste auf der linken Fahrspur und spricht mit einem Fußgänger auf dem Mittelstreifen, und danach steht natürlich wieder jemand in zweiter Reihe. Aggressives Rechtsüberholen, andere nicht beim Fahrspurwechsel vorlassen, obwohl für jemanden mit normaler, ungestörter Wahrnehmung die Hindernisse weit erkennbar sind, die für das Auto auf der Nebenspur den Spurwechsel unausweichlich machen. Alltag in der Badstraße. Dazwischen Radfahrer, die häufig schneller fahren als Ihnen gut tut, kommt es denn doch einmal zum Unfall. Gerade die Radfahrer erlebe ich auf der Badstraße und auch der Brunnenstraße als aggressiver als andernorts in Berlin. Die Stimmung scheint auf sie überzuschwappen. Aggressives, teilweise adoleszentes, Verhalten bestimmt die Atmosphäre dieser Straße. Das brauche ich nicht. Ich verabscheue diese Badstraßen-Atmosphäre. »Aggro-Meile« erscheint mir ein sehr passender Begriff dafür, sofern man es für sich zulässt, sprachlich niveaulose Abkürzungen wie »aggro« zu verwenden. Hier passt es gut.

Politisch korrekt ist dieser Text für manchen der Leser sicher nicht. Egal, nennen Sie mich multikulti-, Migranten- oder Unterschichten-feindlich. Bestimmte Dinge müssen jedoch gesagt werden. — Und, ja, es gibt noch eine Reihe anderer Straßen in Berlin, über die ich ähnliches schreiben könnte.