Spickzettel digital

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Schnell ein PDF erstellen, das auf dem Smartphone gut aussieht

»Betrug« sagen die einen dazu, »legitim« die anderen, denn es könnte ja jeder so machen. Kennen tun wir sie alle, die Spickzettel, die wir uns als Schüler oder Studenten geschrieben haben, um während der Klausur vom Blackout verwischtes Wissen schnell nachlegen zu können. Oder auf Wissen, dass absolut nicht in den Kopf wollte, schnell zugreifen zu können.

Gut geschriebene Spickzettel haben meine Schulkarriere gefördert, wobei ich freilich nicht die technischen Mittel hatte, wie sie heute jeder Schüler und Student hat. Damals waren wir quasi »auf Stift und Papier« gesetzt. Ich hatte es ganz gut perfektioniert, komplett Oktavhefte vollzuschreiben und in den Schaft meiner weiten, halb hohen Stiefel zu stecken. Zusätzlich passte noch die ein oder andere Kopie in den Stiefelschaft, auf DIN A6 gefaltet. So gerüstet, trat ich dann zu den längeren schriftlichen Prüfungen an, bei denen man ein bis zweimal rausgehen, d.h. die Toilette aufsuchen durfte. Währenddessen wurde der Spickzettel ausgepackt. Bei allen wichtigen Prüfungen war ich also sommers wie winters mit gutem Schuhwerk dabei, auch wenn an heißen Tagen Sandalen deutlich passender waren als irgendwelche Winterstiefel. Für Spickzettel, die nicht direkt im Klausurraum verwendet werden sollen, halte ich mein altes »Stiefel-System« immer noch für ideal. Ganz nach dem Motto: »Der Spickzettel muss am Mann sein.«

Nun, die Situation hat sich ziemlich geändert. Den Stiefel braucht kein Prüfling mehr, weil jedes Smartphone inzwischen ganze Büchersammlungen enthalten kann, mehr als man jemals bis zur Promotion lesen kann. Trotzdem sind sie sinnvoll wie eh und je, diese selbstgemachten Spickzettel. Lernt man doch oft erst durch das Strukturieren und Zusammenfassen des Stoffs. Warum das ganze nicht gleich Smartphone-optimiert tun? Ein Smartphone passt in jede Hosentasche, man kann im Sommer in Sandalen zur Prüfung – und ein digitaler Smartphone-Spickzettel ist sehr einfach herzustellen.

Man muss nur aus PDF erzeugen, zum Beispiel aus einer Word-Datei oder OpenOffice-Datei. Dann sendet man sich das PDF per Email aufs Smartphone, speichert es, fertig. Einmal auf dem Handy gespeichert, ist es allzeit verfügbar, freilich auch offline. Und sollte das Spickzettel-PDF viele Seiten umfassen, ist es wie jedes PDF selbstverständlich durchsuchbar, damit man schnell die passende Stelle findet.

Wie erstellt man nun genau so einen PDF Spickzettel?

Beginnen Sie mit einem leeren DIN-A4-Dokument und setzen Sie alle Ränder auf 1 cm. Damit man das PDF später wie ein eBook oder wie eine App lesen kann, ohne ständig mit Fingerschnips zu vergrößern, bietet es sich an, die Schrift richtig groß zu einzustellen, so dass sie später auf dem Handy-Display gut lesbar ist. Bewährt hat sich z.B. 48pt für Überschriften und 36pt für den Text. Unter normalen Verhältnissen eine eine viel zu große Schrift, für die Anzeige auf dem Handy jedoch gerade passend, wie das Foto zeigt. Bequem kann man so per Fingerwisch von Seite zu Seite blättern, ohne ständig vergrößern zu müssen.

Ist der Spickzettel, der viele Seiten umfassen und ein kleines selbst geschriebenes Buch sein könnte, fertig, wird das Dokument als PDF gespeichert. Mit dem Apple-Mac funktioniert das standardmäßig und für den PC gibt es eine Menge Tools, um aus jedem beliebigen Dokument ein PDF zu erzeugen. Man schickt sich das PDF dann selbst per Email zu, öffnet die Email auf dem Handy und speichert es dort. Der digitale Spickzettel ist an Ort und Stelle.

Wer sich einigermaßen mit MS-Word auskennt und einen komplexeren Spickzettel bzw. mit vielen Seiten gestalten möchte, kann ein Inhaltsverzeichnis mit Links innerhalb des Dokuments aufbauen, bzw. auch Links zu anderen Seiten einfügen. Das Ergebnis kommt einer App dann schnell ziemlich nahe.

Zum Anschauen des PDF-Spickzettels ist eine Reader-App auf dem Smartphone erforderlich. Bewährt und ein Muss für iPhone-Besitzer ist die Gratis-App »iBooks« von Apple, mit der eBooks und PDFs gelesen und im virtuellen Bücherregal verwaltet werden können. Für Android-Smartphones gibt es die Adobe-Reader-App und zahlreiche weitere Apps, die PDFs darstellen können.

Moralkeule Betrug

Verständlicherweise möchten Lehrkräfte, Dozenten und Prüfer nicht, dass in schriftlichen Arbeiten andere als die erlaubten Hilfsmittel verwendet werden. Offiziell heißt so etwas »Täuschungsversuch« und jedem ist das Ergebnis in Entdeckungsfall klar – das sofortige Ende der Prüfung und eine ungenügende Bewertung. Mit etwas Überhöhung wird manchmal auch von »Betrug« gesprochen. Ich zweifle, ob dieses Wort angemessen ist. Eher nicht, denn es handelt sich nicht um einen Straftatbestand nach StGB. Man »betrügt« vielleicht das System an sich oder bestenfalls Prüfer und Prüfungskommission, weil man eine Leistung mit zusätzlichen Hilfsmitteln erbringt, die man ohne diese hätte nicht in der gleichen Form erbringen können und ihnen vortäuscht, man würde diese Leistung mit den erlaubten Hilfsmitteln erbringen. Ein Schaden entsteht freilich nicht.

Ziemlich ärgerlich fand ich es als Schüler immer, wenn die Moralkeule geschwungen wurde, und vollmundig verkündet wurde, man würde durch Spickzettel und unerlaubte Hilfsmittel die anderen Schüler bzw. die anderen Teilnehmer einer Klausur betrügen. Weil man sich ja einen Vorteil verschaffe. Das ist falsch. Einerseits, weil diese Moralkeule davon ausgeht und suggeriert, alle anderen würden keine unerlaubten Hilfsmittel benutzen. Andererseits, weil jeder die gleichen Möglichkeiten hat, es ebenso zu tun – und wer die Möglichkeiten nicht nutzt, ist selbst schuld, wie überall im Leben. Also nichts mit »Betrug an den Mitschülern«. Keiner wird hier persönlich betrogen und hat einen Schaden davon.

Für Nerds und Fortgeschrittene

Wer mag, kann die Smartphone-Spickzettel natürlich noch weiter treiben und sich ein echtes eBook mit Sigil, Pages, OpenOffice oder sogar mit iBooks-Author erstellen. Das setzt jedoch etwas Nerdtum voraus – und man muss aufpassen, nicht in die Falle zu tappen und die Technik über den Content zu stellen. Was hilft die schönste selbst programmierte Spickzettel-App in der Klausur, wenn man so viel Zeit in Programmierung und Design investiert und die Inhalte und das Lernen zu kurz kommen? Nichts.

Spickzettel für alle

Auch für die, die nicht mehr studieren, mag ein digitaler PDF-Spickzettel, in dem einfach per Fingerwisch von Seite zu Seite geblättert werden kann, recht sinnvoll sein. Zum Beispiel für einen Vortragstext und die schnell mit dem Smartphone gehaltene Präsentation. Wird es ein echter Klausur-Spickzettel, dann kann er noch mit ein paar Fotos aus dem Lehrbuch angereichert werden.

Für Sie und den Nachwuchs viel Spaß beim Spickzettelbauen.

Berlin 1927

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Zeitreisen

Lassen Sie uns eine Zeitreise machen in die →deutsche Metropole im Jahr 1927. Fast 10 Jahre ist der erste Weltkrieg vorbei und es hat sich viel getan in Berlin. Es gibt sie hier und besonders hier, die goldenen 20er. Zumindest für alle, die es irgendwie geschafft haben, nicht zu den Kriegsverlierern zu gehören und im Berliner Tempo ganz gut mithalten können. Die Kaiserzeit mit ihren Militärparaden, Kasernen und →Exerzierfeldern hat die Hauptstadt hinter sich gelassen – und vermisst werden die alten Zeiten keineswegs. In Tempelhof gibt es schon seit 1923 einen Linienflugbetrieb und es gibt jetzt Radiosendungen vom zuvor eigens dafür gebauten →Funkturm. →Hier spricht Berlin.

Jeder, der es sich leisten kann, ist schon vor dem Weltkrieg aus den Stadtbezirken der Mitte in die westlichen gezogen. Es ist das Berlin dieser 20er Jahre, in das ich manchmal gern eine kurze Zeit eintauchen möchte. Das Berlin der →Brüder Sass und des →Karl Siebrecht. Das Berlin, in dem Kommissar →Kappe ermittelt. Mit Berliner Tempo, Doppeldeckerbussen und großflächiger Werbung für Chlorodont-Zahnpasta und für Schuhhaus Leiser. Das ungeteilte und nicht zerbombte Berlin, das sich zur Metropole entwickelt, mit deutlich mehr kultureller Vielfalt und Sexiness als jemals unter den Wilhelms und Friedrichs. Siemens, die AEG und Osram haben sich längst als führende Massenarbeitgeber etabliert und stehen technologisch an der Weltspitze. Siemens prägt einen neuen →Stadtteil nicht nur mit seinem Namen. Die Berliner S-Bahn hat gerade die →große Elektrisierung bekommen und man kann in den beige-roten Zügen stundenlang die Ringbahn-Strecke fahren, was verliebte Pärchen oder Studenten im Winter immer wieder gern nutzen.

Wer ohne Blessuren über Krieg und Inflation gekommen ist und mit welchen Geschäften auch immer ganz gut verdient, lässt sich ein Häuschen im Grunewald bauen. Wenn nicht vom berühmten Architekten, so doch vom einem Baumeister, der sich dort ein paar Stilelemente der neuen Sachlichkeit abschaut. Wer es nicht so gut machen kann, profitiert vielleicht gerade von den ehrgeizigen →Architektenprojekten der 20er oder wohnt wie eh und je in einer der zahlreichen Mietshäuser, bürgerlicher in Kreuzberg oder Schöneberg, ärmer im Wedding oder im heute gentrifizierten Altbaugürtel von Prenzlauer Berg bis Friedrichshain. In einem dieser Altbauten, die so charmant Mietskasernen genannt werden, mit Toilette im Treppenhaus oder im Hof.

Viel investiert wird nicht in diese Mietshäuser, sind sie doch in der Regel Anlageobjekte für die Haus- und Grundstückseigentümer, die oft längst woanders, manchmal aber auch selbst in einem der besseren von ihren Mietshäusern wohnen. Ehrliche Sparer haben es ohnehin nicht zu diesen Mietskasernen der Gründerzeit und Jahrhundertwende gebracht. Und mit ehrlicher – sagen wir besser bodenständiger – Arbeit wird man in den 20ern auch nicht wohlhabend, nach Inflation und Kriegszusammenbruch. Dafür muss man schon etwas spekulieren, zocken, in Aktien und Geldgeschäften machen. Manchem gelingt das oft und gut, und dann eben auch zuweilen nicht mehr gut. So wechseln sie immer mal wieder die Eigentümer, diese Mietshäuser in den viele Jahrzehnte später gentrifizierten Stadtteilen. Auch das Haus, in dem ich in 2013 – fast 90 Jahre später – lebe, hat viele Eigentümerwechsel hinter sich. Pleite, verkaufen. Dabei noch gut aussehen den Arbeitern gegenüber, zu denen man nicht gehört, den Sinnesfreuden der 20er aufgeschlossen, neu spekulieren, neues kaufen. Das funktioniert in diesen Jahren. Bis 1929. Was der schwarze Freitag und die Weltwirtschaftskrise auslöst und was danach kommt, wissen Sie selbst.

Natürlich, wer nicht (nur) in Immobilien macht, hat andere, kreative Ideen. So wie ein Herr Waldemar Keiser, Vorsitzender der Bezirksgruppe Wedding des Bundes der Berliner Haus- und Grundbesitzer. Er gibt ab 1925 Keiser’s Grundstück-Kontobuch heraus. Wie in einem Geschäftsbuch kann damit die Buchführung und, wie es im Vorwort heißt, die Übersicht über den Ertrag eines Mietshauses schnell erfolgen. Die eigentliche Idee Keisers ist wohl nicht, dafür eine Art Geschäftsbuch zu entwickeln, sondern dieses Buch in 10.000 Exemplaren kostenlos an die Mitglieder des Haus- und Grundbesitzer-Vereins zu verteilen. Dafür enthält das Buch jede Menge Werbeanzeigen von Berliner Gewerbetreibenden, auf die ein Hauseigentümer oder Eigenheimer immer mal wieder zurückgreifen muss. Wahrscheinlich ist das Buch komplett über diese Werbeanzeigen finanziert.

Nun, ein Exemplar von Keiser’s Grundstück-Kontobuch – warum der →Deppenapostroph hier verwendet wird und warum das →Fugen-s in Grundstücks-Kontobuch fehlt, erschließt sich mir nicht – ist irgendwie vor Jahren in meinen Fundus geraten. Ich hatte einiges an alten Geschäftsbüchern und -papieren gesammelt, der Gestaltung und Handschriften und manchmal auch der zeitgenössischen Anzeigen wegen. Vieles habe ich inzwischen leider weggeworfen, Keiser’s Kontobuch hingegen habe ich behalten.

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Das Buch hat ein Format von 20 mal 32 cm, also ein schlankes Hochformat, etwas größer als DIN A4. Es hat 38 Inhaltsseiten. Besonders dick ist es also nicht, aber die Idee ist ja auch, dass der Grundeigentümer jedes Jahr ein neues Buch mit neuen Werbeanzeigen verwendet. Zwischen den Inhaltsseiten ist immer (mindestens) ein rosa Blatt mit zum Teil großformatigen Werbeanzeigen eingefügt. Diese bedruckten rosa Zwischenblätter bestehen aus einem Löschpapier, so wie man es aus Schulheften kennt, zum Aufsaugen von noch nicht auf dem Papier getrockneter Tinte. Eine clevere Idee, kann man das Buch doch einfach zuklappen, sofern – wie damals üblich – mit Tinte und Stahlfeder oder mit einem der frühen Füllfederhalter geschrieben wird und die Tinte noch nicht trocken ist.

Ich finde diese alten Anzeigen nicht nur vom Inhalt, sondern auch mit Blick auf Typografie und Gestaltung interessant. Mit wenigen Ausnahmen ist das Buch komplett in Antiqua-Schrift gesetzt. Die allseitige Verwendung von Fraktur kommt erst viel später und ist in den 20er Jahren unter Geschäftemachern sowieso nur selten anzutreffen. Sie gilt, schwerer lesbar, als unmodern. Gedruckt ist das Buch ausschließlich im Hochdruck bzw. Bleisatz, was man sieht und fühlt, wenn man mit dem Finger über das Papier streicht. Allerlei zeitgenössische Schriften, Rahmen und Vignetten werden verwendet und im Beisatz kombiniert. →Aurora-Grotesk, die breite Bernhard Antiqua in mager und fett oder die fette Block. Eben das, was Buchdruckerei und Verlag Franz Dietzler in der Weddinger Gerichtsstraße 39 so an Schriften vorrätig hatte oder für dieses Buchprojekt angeschafft hatte.

Inspirierend, die Namen, die Orte, die Berufe und Gewerke. Für eine Zeitreise in das Berlin vor 86 Jahren. Bestimmungsgemäß wurde dieses Exemplar jedoch nicht verwendet. Eher so, wie man ein Werbe-Notizbuch eben verwendet. Man schreibt anfangs etwas hinein, das dem Zweck sehr wohl entspricht und notiert später irgendetwas darin, z.B. weil das Buch gerade passende Spalten oder einfach nur leere Seiten hat. Mietzahlungen sind einzig auf Seite 6 eingetragen, mit Kopierstift und darunter mit Tinte. Hier heißt es allerdings: ab 1.4.32. Aha, das Buch wurde also Jahre später verwendet. Auf den folgenden Seiten finden sich – ja, Wahlergebnisse von der →Reichspräsidentenwahl 1932. Handschriftlich notiert und wie es scheint, ungeordnet von Provinzen und Städten aus ganz Deutschland gesammelt. Die Spaltenköpfe mit D (für Düsterberg), H (für Hindenburg) sowie mit Hitler und Thälmann beschriftet. Alles scheint schnell aufgeschrieben worden zu sein, zu welchem Zweck auch immer… Spekulationen, die mir und Ihnen Stoff für eine weitere Zeitreise geben, wobei ich lieber nicht in diese Zeit reisen möchte.

Ich möchte Ihnen mein Exemplar von Keiser’s Grundstück-Kontobuch, Ausgabe 1927, nicht vorenthalten. Gescannt habe ich es, und ein PDF daraus erzeugt. Für Ihre Zeitweise ins Berlin von 1927. Einige Seiten fehlen. Vermutlich sind sie schon vor Jahrzehnten herausgerissen worden. Egal, so wie es ist, ist es Zeitreise genug.

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Anmerkung:

Das PDF ist ca. 20 MB groß und kann sehr gut auf dem iPad oder Tablet angesehen werden. Um ein eventuell vorhandenes Datenkontingent nicht zu belasten, empfiehlt es sich, das PDF bei WiFi-Verbindung zu laden und nicht per 3G oder LTE-Mobilfunk-Verbindung.