Peer Steinbrück, eher Zählkandidat als nächster Bundeskanzler, äußerte sich nach einem Bericht der Welt gestern zum getrennten Sportunterricht für muslimische Jungen und Mädchen. Sportunterricht, weltfremdes Sommerlochthema, könnte man denken.
Nun, was hab ich damit zu tun? Das Wort Sportunterricht triggerte mich an, als ich die Nachricht heute Morgen in der Timeline las. Mein schlimmstes Fach, verständlich für ein damals dickes Nerdkind. So fragte ich kurz im Büro: »Wie war das eigentlich früher mit Sportunterricht?« – »Grauenvoll«, kam es zurück. Bestätigung für mich. Hier mein Statement dazu, das ich schnell twitterte: »Ganz ehrlich, ich bin fürs Abschaffen des Sportunterrichts. Eine Kette von Demütigungen, die die Welt nicht braucht.« Wohl kein Unterricht ist demütigender und deklassierender für spätpubertierende dickliche Nerdkinder. Stress pur, und die zwei Wochenstunden Sport machen einen auch nicht beweglicher und gesünder. Eher im Gegenteil, Schulsportunfälle lassen grüßen. Wollen wir uns das antun? Wollen Sie ihren Kindern das antun?
Keine Frage, Bewegung ist gesund und wichtig. Das hab ich nach diesen Negativerfahrungen dann ganz alleine entdeckt und wurde zum Marathonläufer, mit 36. Vielleicht hätte ich ohne diesen leidigen Schulsport 10 Jahre früher damit angefangen. Wahrscheinlich.
Schaffen wir ihn einfach ab, diesen Sportunterricht. Oder machen daraus ein Wahlfach ohne Noten, für diejenigen mit erhöhtem Bewegungsbedarf. Das würde der Psyche vieler Jugendlicher gut tun.
Schrecklich, dieser Hopphopp-Sportunterricht, mit Letztgewähltwerden-Garantie. Alles Spielerische war ein Fremdwort.
Sie sprechen mir aus der Seele. Sport war außerdem immer das Fach, das den hübschen Notenspiegel hässlich machte im Zeugnis.
Oh ja! Grauenvoll! Wir könnten aus den Letztgewählten beim Mannschaftssport wahrscheinlich eine neue Mannschaft gründen. Und die wird gut, die rennt euch sportive K…bratzen einfach um.
Was mir einen kleinen Triumph beim Klassentreffen verschaffte: Weit waren die hochgelobten Sportskanonen alle nicht gekommen im Leben. Das Handball-As hat so eine Art Eismann-Wagen für Tierfutter und die kleine zähe Leichtathletin bangt immer wieder um ihren Muckibuden-Trainerjob, für den sie mit fast 50 definitiv zu alt ist und überlegt, ob sie auf Physiotherapie umschult. Ich hab die Freude am Sport auch erst mit 28 gefunden, als ich nämlich mal das machte, was mir Spaß macht.
Prima. Bin dabei, in der Mannschaft der Letztgewählten. Unser Sport-As und Mädelsschwarm hat übrigens einen Ausbildungsberuf abgeschlossen.
Bin ich froh, dass ich die Zeit hinter mir habe, so gerne wie ich machmal noch mal 30 Jahre jünger wäre.
Veto! Klar, nur die zwei, drei sportlichen Überflieger der Klasse haben immer Spaß am Sportunterricht. Aber wie sollen Kinder verschiedene Sportarten kennenlernen, lernen, dass bestimmte Dinge Freude machen können und letztlich durch diese Erkenntnis erst Selbstvertrauen bekommen? Wollen wir wirklich nur noch Stubenhocker und Fußballspieler? Uns darauf verlassen, dass jeder mit 36 selbst merkt, dass er was für sich tun soll?
Bei mir war es tatsächlich so, dass ich 10 Jahre gebraucht habe, bis ich mitbekam, dass ich eine sehr gute Mittelstreckenschwimmerin bin, Skitouren, Rudern und Kajakfahren ohnehin – also alles, was man allein und nicht in der Herde und schon gar nicht als Wettbewerb zwischen Leuten tun kann. Und nicht in der Erwägung „ich muß jetzt endlich mal was für meine Gesundheit tun“.
Für mich gab es sogar das Problem, dass meine Sportnote (die Lehrerin wollte mir pubertierendem linkischen Wesen mir einen Achtungsschuss verpassen) fast meinen Gang aufs Gymnasium verhindert hätte.
Nachdem mir die Sportnote zwei mal einen höheren Schulabschluss versaut hat wäre ich auf jeden Fall dafür.
Sportunterricht sollte vor allem eines leisten: Den Kindern Spaß an Bewegung vermitteln und einen Ausgleich zum „Sitzjob“ im Klassenraum bieten.
Zu meiner Zeit ging es leider nur um Leistung und Bestleistungen. Auf die Idee, dass Bewegung Spaß machen kann, bin ich daher erst nach meiner Schulzeit gekommen.
Das war bei mir genauso und ich höre es in letzter Zeit immer wieder. Leider gelingt der Spezies Sportlehrer es jedoch immer wieder nicht, diesen Spaß an Bewegung zu vermitteln. Das mag damit zusammenhängen, dass viele von ihnen selbst sportlich sind und es nie erlebt haben, dass Sport für manchen Qual und Zwang ist. Sie beschäftigen sich dann auch lieber mit den sportlichen Kindern und fördern diese mehr als die wenig sportaffinen, was den Frust noch größer werden lässt. Dieses System muss man ja nicht unterstützen.
Hier, ich möchte auch in der Mannschaft der Letztgewählten mitmachen. Sportunterricht hat mir die Schulzeit so vergällt, dass ich bis jetzt noch nicht mal darüber nachdenke, ob mir irgendein Sport vielleicht guttun könnte (bestimmt, aber ich würde eher das Erlernen von Altgriechisch in Erwägung ziehen, als mich mit Sport befassen). Und nach den Erzählungen von Müttern aus meinem Bekanntenkreis habe ich leider den Eindruck, dass sich die Kultur des Beschämens im Sportunterricht bis heute nicht geändert hat. Wahrscheinlich pflanzt sich das fort, weil die Sportskanonen von einst dann später Sportlehrer werden und dann wieder was von „Charakterbildung“ und „mit Niederlagen umgehen lernen“ faseln. Bestimmt sollte ich nur aus diesem Grund eine 6 in Sport bekommen und die Klasse wiederholen müssen: damit ich mal kapiere, dass ich nicht überall die beste sein kann. (Und weil wir im Internet sind: das letzte war Ironie. Die 6 wurde gerade noch so abgewendet, und danach war ich für Sport – Dank eines einsichtigen Schulleiters – dauerbeurlaubt.)
auch ich bin für alsbaldiges abschaffen.
auch ich war – wenn auch klein und eher dünn – immer in der flaschenauswahl. wenn der sportunterricht bei mir eins geschafft hat, dann, immer aufs neue zu demonstrieren, dass es wehtut, dass sich die anderen lustig machen, dass die sachen, die _mir_ spaß machen, nix taugen und dass einem die miese sportnote den schnitt versaut und auch wieder häme einbringt.
kurzum: so, wie er ist, ist schulsport für zu viele kinder eine zumutung.
@johannes mirus: das kann sport nicht leisten. sportunterricht mit seiner starren benotung nach zeiten, weiten, wiederholungen ist so, wie er ist, ein relikt aus uralten zeiten und unnötig. die zwei oder drei stunden in der woche reißen für die stubenhocker nix und tun vielen davon seelisch zumindest nicht gut.
mannschaftssportarten, vor allem mit bällen (gibt es in der schule überhaupt andere?), sind eh so ein kniffeliges ding. ein paar motorisch begabte draußis können den linkischen stubenhockern mal wieder eins überbraten, sei es durch schmerzhafte körpertreffer bei würfen/schüssen, sei es durch die immer wiederkehrende demütigung der flaschenauswahl. der gruppenzwang ist immens, und wenn die linkischen drinnis ihrer mannschaft „schooooon wieder!!“ den sieg versemmelt haben, dann gehen die reperkussionen gerne im klassenraum weiter.
ich finde es aber durchaus erheiternd, das wir sporthasser uns hier wiedertreffen und uns gut leiden mögen :D darauf einen kaffeeundkuchen!
„Charakterbildung“, genau. Im Sportunterricht habe ich gelernt, eifrige Inkompetenz zu simulieren. Das hat mir dann später auch in der Armee geholfen…